Äpfel statt Birnen, Fortsetzung


 

Äpfel statt Birnen, Fortsetzung

Was ist passiert?“ fragte meine Frau, sobald sie den riesigen Blumenstrauß erblickte.

„Gefallen dir die Tulpen?“

Sie lachte, und es klang silberhell wie ein Kirchenglöckchen, das einen Festtag ankündigt. „Ja, sehr“, sagte sie. „Aber seit Jahren hast du mir keine Blumen mehr geschenkt.“

„Da schau einer an.“

Leider endete ihr jugendliches Lachen abrupt, als sie die übrigen Einkäufe entdeckte. „Ich esse keine Äpfel, das weißt du doch. Ich bin allergisch gegen Äpfel“, belehrte sie mich, wenngleich sanft.

„Ich fand, sie sahen schöner aus als alle Birnen zusammen“, entgegnete ich.

„Aber ich esse nun mal keine Äpfel“, beharrte sie. „Warum kaufst du Dinge, die ich nicht mag und die ich auch nicht aufgeschrieben habe?“ Auf ihrer Stirn erschien eine tiefe Falte, und ich wusste, jetzt war es besser, einzulenken.

„Du musst die Äpfel ja nicht essen“, erklärte ich.

„Nein, das nicht“, entgegnete sie betrübt.

Ähnlich verfuhr sie mit den übrigen Sachen. Nichts, von dem, was ich auf dem Markt gekauft hatte, fand ihren Gefallen. Zu guter Letzt verlor sie sogar ihr Interesse an den samtig-roten Tulpen. „Was für ein Unsinn, das alles“, murmelte sie leise.

An diesem Abend saßen wir uns beim Abendessen schweigend gegenüber und danach ging meine Frau früh zu Bett. Von der Treppe her rief sie mir zu: „Ich wüsste nur zu gerne, was plötzlich mit dir los ist.“

„Nichts ist los“, entgegnete ich.

„Warum ärgerst du mich dann?“

„Nichts liegt mir ferner als dich zu ärgern“, versicherte ich ihr. „Ich wollte lediglich …“

Sie winkte mit einer schwachen Handbewegung ab. „Lass nur“, sagte sie. „Wir sollten nicht so ein Theater um diese Dinge machen. Du hast es gut gemeint, ich weiß.“

„Nein, das habe ich nicht.“

Meine Frau riss erschrocken ihre Augen auf. „Du bist überarbeitet, deine Nerven liegen blank, ich beobachte das schon seit Tagen“, erklärte sie.

„Es geht mir gut“, widersprach ich freundlich. „Ich habe lediglich, einem Impuls nachgebend, mir die Erlaubnis erteilt, in vielen Möglichkeiten auch viele Möglichkeiten zu sehen. Das ist alles.“

„Irgendwie versteh ich dich nicht“, sagte sie.

„Ich mich auch nicht“, gestand ich ihr.

Kopfschüttelnd ging meine Frau in ihr Schlafzimmer. Ich, der liebenswerte und verlässliche Mann, der in allem, was er tat, vorhersehbar war, hatte etwas völlig Unvorhersehbares getan und sie damit verwirrt. Das sah ich ein.

Am anderen Morgen kam sie in mein Zimmer, rüttelte an meiner Schulter und sagte eindringlich: „Du bist spät dran. Willst du nicht aufstehen?“

„Nein“, antwortete ich.

„Fühlst du dich krank?“

„Ich bin kerngesund.“

„Ja…, aber…“ Meine Frau stockte. Ich sah ihr an, sie wusste nicht mehr weiter.

„Komm“, sagte ich, „leg dich ein Weilchen zu mir. Wir haben lange nicht mehr nebeneinander gelegen.“

Sie lächelte.

Wie wir so nebeneinander lagen und uns nach langer Zeit wieder einmal richtig in die Augen sahen, sagte sie zu mir: „Was hat der Mensch doch für ein Glück, der zwischen mehreren Möglichkeiten entscheiden kann.“

Das fand ich auch.

 

 

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