Schmetterlinge im Schrank


rw_kindle_cover_1-8-2016

Schmetterlinge im Schrank: Fortsetzung Leseprobe

Keine Ahnung, wie das der Kannibale von Rotenburg machte. Der fand jemandem zum Aufessen im Internet. Ich fand nur einen Auftragskiller, der mein Geld nahm und sich aus dem Staub machte. Für 16.000 Euro hätte er mich wenigstens verhauen können. Ich wendete mich an Neonazis, die mich zu Tode prügeln sollten. Ich malte mich schwarz an und brüllte auf einem ihrer Feste „Scheiß Nazis!“ Sie schubsten mich ein wenig herum und schmissen mich vor die Tür. Ich hätte die Hände auch anmalen sollen. „Wenn man will, dass etwas gemacht wird, muss man es selber tun.“ Anscheinend gilt das auch fürs Sterben. Mein Hirn hat den Befehl zum Abdrücken gegeben. Ich spüre den Nervenimpuls, wie er einen Ausgang aus meinen Kopf sucht. Er hat sich zwar gerade im Stirnlappen verirrt – dort festhalten oder aufhalten lässt er sich nicht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er die richtige Nervenbahn findet, in meinen Arm flutscht und schließlich den Finger krumm macht! Ich bin bereit für meine letzte Reise. Ich hätte auch nicht länger gekonnt. Da war nicht mehr drin. Hab diesmal ziemlich lange gebraucht. Ich bin 38. Mein Koffer steht vor der Tür und der Schlüssel steckt im Schloss. Jetzt ein letztes Nachsehen, ob alles ausgemacht ist. Mach ich jedes Mal, wenn ich aus dem Haus gehe … nachsehen, ob der Herd aus ist. Dabei kann man nach dem Licht, dem Kühlschrank, dem Fernseher, dem Videorecorder, der Dusche und der Heizung sehen. Warum nicht ein letztes Nachsehen, wenn man aus dem Leben geht? Kurz bevor man das eigene Leben abschließt – noch einmal kurz hinein! Kurz nochmal das Leben checken – einen letzten Kontrollgang. Natürlich hat man alles schon „nachgesehen“. Am Tag davor drei bis vier Mal und vor zehn Minuten und dazwischen auch mal immer wieder. Doch erst ein letzter Kontrollgang lässt einem beruhigt in den letzten aller Urlaube fahren. Womöglich bin ich schon im Tunnel und gehe dem Licht entgegen, wenn mir einfällt, dass ich die Dusche nicht abgedreht habe. Dann wieder zurück gehen zu müssen ist nicht schön. Tatsächlich! Aus dem Duschkopf tropft es und der Stöpsel der Badewanne ist zu. Ich sehe die Pfütze in der Wanne. Sie ist nicht größer wie die Pfütze in der ich mich aus lauter Verzweiflung ertränken wollte. Ich war sechs Jahre alt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.