Regelungen kirchlicher Feiertage


Behördliche Regelungen kirchlicher Feiertage an der Bergstraße

in den Jahren 1945-1952

 

Teil 3

 

Regelungsversuche der Behörden

 

Für den Reformations-, Allerheiligen- und Mariä-Himmelfahrts-Tag ermittelten die Behörden, ob die Feiertage in den einzelnen Gemeinden nach „bisherigem Brauch“ begangen wurden oder nicht sowie durch Feststellung der Konfessions-Vertei­lung. Allerdings erwiesen sich die beiden Maßnahmen im Ergebnis zunächst nicht immer als konsensfähig, wie das Bei­spiel der Stadt Bensheim verdeutlicht. Bürgermeister Joseph Treffert wandte sich am 16. Oktober 1947 in einem persönlichen Schreiben an „Herrn Landrat Dr. Steinmetz“[i] und äußerte sich kritisch zur vorher ergangenen Mitteilung des Land­rats, „daß Allerheiligen am 1. November 1947 und Mariä Himmelfahrt in Bens­heim als allgemeine Feiertage nicht begangen werden“. Er habe sich in einem Schreiben dagegen gewandt, gebe es dem Landrat „anbei“ als Abschrift und gestatte sich noch zu bemerken, „daß es hier große Erbitterung auslösen würde, wenn in Heppenheim die Tage als katholische Feiertage gelten würden, dagegen in Bensheim nicht. Die Katholiken würden uns sicherlich zum Vorwurf machen, daß ausgerechnet unter einem katholischen Landrat und katholischen Bürger­meister solche tiefeinschneidenden Änderungen vorgenommen würden.“ Die Verfügung des Landrats würde die katholische Bevölkerung Bensheims – wenige Tage vor Allerheiligen – „wie ein Blitz aus heiterem Himmel“ treffen. Der Bürger­meister bat deshalb darum, „es zunächst einmal, wenigstens jetzt noch, bei Al­lerheiligen, bei dem bisherigen Zustand zu belassen.“ Eine spätere Regelung könne dann in Ruhe vorgenommen werden.

Das von Bürgermeister Joseph Treffert erwähnte formelle Schreiben an den Landrat stammt ebenfalls vom 16. Oktober 1947 und erläuterte die Gründe für die ablehnende Haltung im Bensheimer Magistrat gegenüber der Verfügung aus Heppenheim. Die Volkszählung vom 29.10.1946, die der Landrat zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hatte, ergab „bei einer Gesamtbevölkerung von 20207“ ein Übergewicht der Protestanten in Bensheim von „nicht ganz 500“. In­zwischen sei „die Bevölkerung auf fast 22000 gestiegen, so dass die Zahlen vom 29.10.1946 nicht mehr zutreffen.“ Nach eigenen Aufzeichnungen seien die Ka­tholiken sogar mit leichter Überzahl vertreten. Bensheim sei „immer als überwie­gend katholische Stadt betrachtet“ und „die genannten Tage seit ur­denklichen Zeiten als katholische Feiertage behandelt“ worden. Wenn dem Vor­schlag, für dieses Jahr die bisherige Regelung für Allerheiligen beizubehalten, „aus irgendwelchen Gründen […] nicht entsprochen werden“ könne, stelle er den Antrag, „die genannten Tage mindestens in Bensheim-Mitte als katholische Fei­ertage zu belassen, denn in Bensheim-Mitte sind rund zwei Drittel Katholiken und ein Drittel Protestanten. Die Zunahme der Protestanten ist lediglich auf die Ein­gemeindung von Auerbach, Schönberg und Zell zurückzuführen.“[ii]

Der Landrat ließ sich überzeugen und erließ für Bensheim eine „Sonderregelung 1947“ im Sinne des Ansinnens von Bürgermeister Treffert: „Für die Statteile Bensheim-Auerbach, Bensheim-Schönberg und Bensheim-Zell wird das Refor­mationsfest am 31. Oktober 1947 als allgemeiner Feiertag festgesetzt. Für den Stadtteil Bensheim-Mitte wird Allerheiligen am 1. November 1947 als allgemeiner Feiertag festgesetzt.“

Eine Festsetzung der Feiertage für Bensheim mit den Stadtteilen Auerbach, Schönberg und Zell sei „weder für Allerheiligen noch für das Reformationsfest“ möglich, weil der Regierungspräsident Darmstadt in einer Verfügung „vom 13. August 1947 ausdrücklich festgelegt“ habe, dass „Maria Himmelfahrt, Allerheiligen und das Reformationsfest nur in den Gemeinden zuzulassen ist, die überwiegend eine katholische bezw. evangelische Bevölkerung haben.“ Unter dem Begriff „überwiegend“ verstehe man „jedoch im allgemeinen mindestens eine ⅔=Mehrheit.

Bürgermeister Joseph Treffert ließ in seinem Antwortschreiben vom 25. Oktober 1947 den Landrat zwar wissen, dass die „Neuregelung der Feiertage“ in der Stadtver­ordnetensitzung am 22.10.1947 „allgemein befriedigt“ habe, enthielt sich aber nicht weiterer Kritik an der Vorgehensweise des Landrats: „Hätte man vor Erlass […] die Stadtverwaltung Bensheim gehört, dann hätte die Sache einfacher gere­gelt werden können.“ Auch die Interpretation des Adjektivs „überwiegend“ durch den Landrat entfachte die Kritik des Bürgermeisters: „Im Schreiben vom 9.10. betonen Sie, dass mit Rücksicht darauf, dass die Stadt Bensheim einige hundert Protestanten mehr zählt, die Stadt nicht mehr überwiegend katholisch ist und deshalb die kath. Feiertage abgeschafft werden müssten, während Sie in dem zweiten Schreiben (22.10.47) angeben, dass der Begriff überwiegend so zu verstehen ist, dass im Allgemeinen mindestens eine ⅔ Mehrheit vorhanden sein muss. Ist Ihre letzte Auffassung richtig, dann durfte die erste Anordnung gar nicht getroffen werden.“ Der Bürgermeister bat, „künftig doch vor Erledigung solch wichtiger Anordnungen die zuständigen Gemeindebehörden zu hören und nicht über ihren Kopf hinweg Anordnungen zu treffen von so tiefer einschneidender Bedeutung.“

Was das Reformationsfest anbelangte, gab der hessische Minister des Innern am 30.10.1947 an den Landrat des Kreises Bergstraße eine „Fernschrift“ (Tele­gramm) auf, worin er klarstellte, dass die „irrtümliche Auslegung“ eines Gesetzes bei „einzelnen kommunalen Körperschaften […] einzelnen Oberbürgermeistern oder Landräten“ dazu geführt habe, das Reformationsfest zum gesetzlichen Fei­ertag zu erklären. Der eindeutige Widerruf des Ministers lautete dagegen: „Das Reformationsfest ist in keinem Teil des Landes Hessen gesetzlicher Feiertag.“ Allerdings werde „bei der bevorstehenden gesetzlichen Regelung des Feiertags­rechts […] geklärt werden, ob das Reformationsfest in Teilen mit überwiegend evangelischer Bevölkerung gesetzlicher Feiertag werden soll.“[iii]

Derartige Äußerungen sind Bekenntnisse einer in gewissen Teilen nur vor­läufigen Feiertagsregelung. Klarheit wenigstens für das Re­formationsfest und Allerheiligen sollte die Bekanntmachung schaffen im „Verord­nungs- und Anzeigeblatt für den Landkreis Bergstraße“, Nr. 54 vom 22. Oktober 1949[iv]: Noch einmal wurde festgestellt, dass das Reformationsfest in Hessen kein gesetzlicher Feiertag sei. Allerheiligen am 1. November 1949 sollte „in den nach­genannten Gemeinden des Landkreises Bergstraße […] gesetzlicher Feiertag“ sein: „Aschbach, Biblis, Bobstadt, Brombach, Bürstadt, Einhausen, Erbach, Fah­renbach, Fehlheim, Fürth, Gadern, Gorxheim, Hambach, Hartenrod, Heppen­heim, Hirschhorn, Igelsbach, Kallstadt, Kirschhausen, Kocherbach, Kolmbach, Kröckelbach, Krumbach, Litzelbach, Löhrbach, Lörzenbach, Lorsch, Macken­heim, Mörlenbach, Nieder-Liebersbach, Ober-Abtsteinach, Ober-Laudenbach, Ober-Liebersbach, Ober-Scharbach, Sonderbach, Steinbach, Trösel, Unter-Abtsteinach, Unter-Schönmattenweg, Unter-Flockenbach, Viernheim, Wald-Er­lenbach, Wattenheim, Weiher, Weschnitz.“ Die Löhne mussten an diesem Feier­tag gezahlt werden. Unter „Gemeinden“ waren „politische Gemeinden zu verste­hen […], Sonderregelungen für Vororte, Ortsteile oder eingemeindete Gebiete, in denen früher ein anderer Brauch galt“, sollten „mit Rücksicht auf die Belange der Wirtschaft nicht getroffen werden“.

 

Feiertags-Regelungen geben ein Spiegelbild ab für die geistige Situation einer Gesellschaft. Die Diskussion über das Kulturgut staatlich geschützter Feiertage hält an bis in die Gegenwart.[v]

[i] Hans Steinmetz (1908-1987), CDU, Landrat des Kreises Bergstraße von 1946-1948.

[ii] Nach einer Volkszählung vom 16. Juni 1933 wohnten in Bensheim tatsächlich mehrheitlich Katholiken, nämlich 66,55 % gegenüber 30,9 % Evangelischen. 1,48 % waren jüdischen Glaubens, 0,67 % konfessionslos und 0,38 % gehörten anderen christlichen Bekenntnissen an. (Angaben nach der Volkszählung vom 16.06.1933, zit. n. Maaß, Rainer: Bensheim zur Zeit des Nationalsozialismus. In: Bensheim. Spuren der Geschichte. Herausgegeben von Rainer Maaß und Manfred Berg im Auftrag des Magistrats der Stadt Bensheim. Weinheim 2006, S. 345-381, hier S. 345, Anm. 1.)

[iii] Dazu kam es nicht; noch am 14. Oktober 1950 äußerte sich der hessische Minister des Innern in einem Schreiben an „die Herren Regierungspräsidenten Darmstadt, Kassel und Wiesbaden mit Nebenabdrucken für die Herren Landräte und Oberbürgermeister […] daß das Reformationsfest auch weiterhin in keiner Gemeinde des Landes gesetzlicher Feiertag ist“ und „ein Brauch […] hinsichtlich des Reformationsfestes in keinem Teil des Landes bestand.“

[iv] Aktualisierungen mit leichten Änderungen am 14. Oktober 1950 (für Mariä Himmelfahrt, Reformationsfest und Allerheiligen) und am 30. Juli 1952 (für Mariä Himmelfahrt und Allerheiligen).

[v] Aus einem Bericht der Tageszeitung „Die Welt“ vom 23. Juli 2012 geht hervor, dass eine Mehrheit von 73 Prozent der Deutschen zufrieden sei mit dem ver­kaufsfreien Sonntag, lediglich 25 Prozent wünschten sich eine „Liberalisierung“. Das Tanzverbot am Karfreitag wird von den Parteien „Die Grünen“ und „Piraten“ in Frage gestellt, allerdings lehnte das Bundesverfassungsgericht die Anträge der Piraten gegen das Verbot ab. (Vgl. Zeit online vom 06.04.2012 „Streit ums Tanz­verbot am Karfreitag“.) Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele konnte sich mit seinem Vorstoß, in Deutschland einen gesetzlichen muslimischen Fei­ertag zu etablieren, zunächst nicht durchsetzen. Einige Bundesländer streben in dieser Frage jedoch pragmatische Lösungen an.

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