Allegorien — der Krieg, Teil I
15.12.2023
Als der glotzäugige Krieg den Schwelbrand hinter den Mauern „Trojas“ bemerkte, schlug er sich mit seinen stählernen, klauenbewehrten Pranken frohlockend auf seinen ehernen Harnisch, dass die Nacht erzitterte. Leichtfüßig schob er seine Geschwister beiseite, und schlug mit seiner Keule dröhnend gegen das aus stabilen Holzplanken gezimmerte Stadttor, dass es in den Angeln krachte und die Mauern bis in ihre Grundfesten erbebten. Mit krächzender Stimme schrie er seine Befehle hinaus in die Fahlhelle der Nacht und schwang dabei seine eisengespickte Geißel über die Köpfe seiner Söldner-Truppen, die aus den Abgründen der Hölle aufzusteigen schienen und nun, einer Schwarzen Springflut gleich, Woge um Woge gegen die befestigten, zinnenbestückten Mauern brandeten. Die Szenerie erinnerte an jene verheerenden Winterfluten, wenn das aufgewühlte, vom Orkan aufgepeitschte Meer, gegen das Gestade des Landes donnernd und brüllend anrollt und sich unwiderstehlich Meter um Meter über den Strandbereich ins Land hineinfrisst. Der Krieg schrie über die anbrandenden Schlachten-Wogen seine Kommandos und tobte, dass die Luft erzitterte — und den aus dem Schlaf gerissenen Menschen im Inneren der schützenden Feste erschien dieses Geschrei wie das Poltern der Rammen am Stadttor, oder aber wie das Pfeifen der Kanonenkugeln und Kartätschen, andere wiederum vermeinten Granat- und Mörserfeuer zu hören, wieder andere Menschen erinnerte dieses jaulende Kreischen an fallende Bombenteppiche oder angreifende Jagdbomber wie die gefürchteten „Stukas“ des II. Weltkrieges, und nochmals andere Schlaftrunkene fühlten sich an den Einsatz modernster Kriegswaffen erinnert, etwa als Grosny, Aleppo, Homs, oder Charkiw, Butcha, Mariupol oder Kramatorsk eingeäschert wurden. Völlig verängstigt fragten sich nun all jene, während sie sich noch den letzten Schlaf aus ihren Augen rieben, was da über Nacht geschehen war? Was ging draußen vor den befestigten und gesicherten Stadttoren vor sich? Warum hatte niemand rechtzeitig Alarm geschlagen? Hatte denn niemand die drohende Gefahr frühzeitig heraufziehen sehen, sie als eben solche erkannt und benannt? Was war es, was da jetzt unheimlich, teils noch schemenhaft, teils wie ein alles vernichtender Feuersturm auf sie zuraste und sie, die Einwohner und Bürger „Ilions“, wie ein blutrünstiges Raubtier erbarmungslos ansprang; sie alle ohne Unterschied lebensgefährlich bedrohte? Und wieso hatten die Wächter hoch oben auf den Zinnen nichts von der heranrückenden Gefahr bemerkt??
Fürwahr, der Krieg kannte im Laufe der Menschheits-Geschichte vielerlei Gestalten und trug stets zeitgemäße „Gesichter“. Waren es vor Jahrtausenden, in seiner frühesten Kindheit und Jugend, noch Keulen, Steinäxte, Speere und Lederschilde, so waren es während seiner frühen Erwachsenenjahre bereits Schwerter, Langlanzen und stabile Holzschilde einer Phalanx. Wieder etwas später, etwa zur Zeit des „Römischen Imperiums“, kleidete er sich in Katapulte, Rammen und Breschenschläger sowie Langbögen, Armbrüste und Stein- bzw. Bleikugelschleudern, die ersten Präzisionswaffen mit großer Reichweite. Etwa ab dem Hochmittelalter und der beginnenden Neuzeit, kam der Krieg, er ging stets mit der Zeit und ihren technischen Erfindungen, in Pulverdampf und Kugelhagel daher, bevor es in den Materialschlachten des frühen 20. Jahrhunderts mit Panzern, Granaten, Giftgas u.a.m. zur Sache ging. Heute jedoch trägt er ganz gerne „Nadelstreifen“ und Designer-Anzug als angemessene Arbeitskleidung, sobald er auf Geschäftsreise geht; will sagen: heute kommt er in Gestalt von Präzisions- und Lenkwaffen-Systemen, oder von Drohnen und Cyber-Attacken daher; mithin führt er auch im Namen der Menschen einen „asymmetrischen Krieg“. Dann sind seine bevorzugten Waffen manipulierende, hochemotionale Bilder, etwa von ausgemergelten, notleidenden oder verwundeten Kindern sowie das manipulierende Wort als Propaganda, „Fake News“, u.ä.m., die im Rahmen der jeweiligen Desinformations-Kampagne gezielt zum Einsatz kommen. Krieg der Bilder, Krieg der Emotionen, heißt es dann. Während herkömmliche Waffen aus Stahl und Treibladungsmittel bestehen und für die grobe „Drecksarbeit“ eingesetzt werden, könnte man letztere unter die „Soft Skills“ des Krieges zählen, insofern, dass sich deren „vernichtende Wirkung“ darin entfaltet, den „sozialen Kitt“ in der „kämpfenden Truppe“, etwa deren Hoffnung und Zuversicht auf den Kriegs-Gewinn, zu zersetzen. In der Zivilbevölkerung wirken sie, indem sie Überzeugungen und Solidarität in irgendeine Form von Spaltung verwandeln, etwa wenn sie durch mantraartige Wiederholung Vertrauen in Misstrauen überführen, geglaubte Sicherheit in gefühlte Unsicherheit umgestalten, bisher gültige Wert-Vorstellungen in erlebte Unwerte und damit in irgendeine Form von Aggression verändern. Diese modernsten Waffen des Cyber-Krieges auf dem Schlacht-Feld der sog. „sozialen Medien“, mit ihren privat betriebenen „Plattformen“, sind das absolute Highlight des digitalisierten Krieges: Denn der manipulierte Mensch — sei er nun offizieller Soldat, sei er privat angeheuerter Söldner oder Terrormilizionär, sei er Zivilist — wird mittels dieser „Soft kills“ systematisch an einen Punkt getrieben, da er nicht mehr dem vertrauen kann, was er doch scheinbar mit „eigenen Augen sieht“. Welches Bild, welches Video ist real — welches beruht jedoch auf KI und zeigt lediglich Propaganda-Fiktion? Welche „Information“ ist denn nun richtig? Welche „Nachrichten“ spiegeln denn nun „die Realität vor Ort“ wider — welche sind frei erfundene Fake-„Nachrichten“? Welches Lager der Kombattanten wie auch der Massenmedien sagt denn nun die „Wahrheit„…—? In dieser emotionalbodenlosen Unsicherheit, in diesem dauerhaften seelischen Zwie-Spalt, pflegt jeder Mensch früher oder später psychisch zu kollabieren. Oder: Er wird systematisch in blinden, fanatischen Hass getrieben…
Gleichviel, auch unter Nadelstreifenträgern gilt durch die Jahrtausende hinweg noch immer ein ehernes, ungeschriebenes Gesetz, das besagt: Einer muss ja schließlich auch die grobe Drecksarbeit verrichten — und das heißt dann konkret: einer muss ganz gezielt Alte, Frauen und Kinder bombardieren, selbst Flüchtlinge und Rettungstrupps ins Fadenkreuz nehmen, oder etwa Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, Flüchtlingslager, Lazarette und andere, durch internationale Konventionen geschützte, zivile Einrichtungen in Schutt und Asche legen. Oder denken wir etwa an das jüngste Abschlachten von wehrlosen Kindern in Nahost. Glaubten denn die Menschen tatsächlich — wenn sie weltweit in ihren Wohnzimmern und fernab vom realen Geschehen, voyeristisch an ihren Bildschirmen und SmartPhone-Screens klebten —, dass dies eine neuzeitliche Erfindung von Terrororganisationen sei? Was war denn seinerzeit mit dem biblischen „Kindermord in Bethlehem“ unter Herodes dem Großen? Nun gut, man mag gegen dieses Beispiel einwenden, dass dies ja nur so eine biblische Fabel sei, um unwissende Kinder zu erschrecken… Aber was geschah dann seinerzeit während der Kreuzzüge, bei der Eroberung Konstantinopels, danach des „Heiligen Landes“, sowie später in Jerusalem — sowohl durch die marodierenden Heere der sog. „Kreuzritter“ als auch durch die muslimischen Heere der Seldschuken/ Ayyubiden unter Saladin? Man könnte spontan meinen, der wesentliche Unterschied bestünde womöglich im Glaubens-Fanatismus sowohl der christlichen als auch der muslimischen Heere. Doch weit gefehlt: die Schergen dieser grauenvollen Gemetzel im 12. u. 13. Jahrhundert trugen damals noch keine „Bodycams“, um ihre Massaker zu filmen und hinterher (oder gleichzeitig, „in Echtzeit„…) ins Internet zu stellen… Der Krieg grunzte. Sein „Ding“ waren solche Gräuel an der Zivilbevölkerung wahrlich nicht; viel lieber kämpfte er mit „offenem Visier“. Mann gegen Mann. Schlachtenreihe gegen Schlachtenreihe. So wie damals, in der Antike, als kampfbereite Heere sich noch direkt gegenüberstanden. Aber selbst damals, in der „guten, alten Zeit“, bestand seine Kernkompetenz vor allem in der Vernichtung von Gegenständen, in der Verheerung und Verwüstung ganzer Landstriche, in der Eroberung von Territorien — nicht jedoch im gezielten Abschlachten unbeteiligter, ziviler Menschen-Opfer. Es gab einmal eine moderne Zeit, und sie war noch gar nicht so lange her, da nannte man das „versehentliche Töten“ von Zivilisten während militärischer Aktionen euphemisch „Kollateralschaden“. Das hörte sich irgendwie freundlicher und vor allem zivilisierter an. Aber das war vor dem neostalinistischen „roten Zaren“. Das war vor Putin. Das war vor Assad, dem syrischen Diktator, und das war auch vor Netanjahu, dem „Demokraten“. Mein ist die Rache, spricht der Herr (Dt. 32,35). Und dabei meinten diese Kriegs-Herren vor allem sich selbst. Denn diese schonten ihre Truppen, indem sie gezielt Krieg gegen Zivilisten führten. Die Menschen, und damit ineins er selbst, der Krieg, waren pervertiert, ent-artet. Denn diese „Spezialkräfte“ und Kampfverbände töteten, um zu morden. Einzig Mord-Lust, diese schiere Lust am wahllosen Morden, bei gleichzeitig garantierter Straffreiheit, trieb sie voran, „legalisierte“ und motivierte ihre Rache und Gräueltaten. So war es bei den diversen Terrormilizen des IS, der Hamas, etc.pp.; so war und ist es bei den verschiedenen Söldnertruppen (u.a. „Wagner-Truppe“) und bei Teilen des offiziellen Militärs. Unabhängig davon, wie „zivilisiert“ deren Anführer oder „oberste Feldherren“ vor der Welt-Öffentlichkeit, in coram publico, argumentierten. Es war ein katastrophaler, kultureller Rück-Fall in prähistorische Zeiten. Ohne irgendein störendes Gewissen, absolut Skrupel-los, eine vollkommene, tödliche Verantwortungslosigkeit jedermanns…—
Der Krieg würgte und hustete. Pfui Deiwel!! Immer wieder diese Drecksarbeit, die Menschen ihm andichteten, ihm zusprachen, ihm zufügten! Angewidert und angeekelt spuckte er aus. Fürwahr, er konnte über all diese menschliche Ambivalenz und Abscheulichkeit nur seinen Raubtierkopf schütteln: Glaubten doch diese Menschlinge zu allen Zeiten, es gäbe so etwas wie einen „gerechten-„, einen „sauberen Krieg“, während sie selbst zugleich unvorstellbare Gräueltaten ersannen, minutiös planten und zuletzt auch detailgetreu, logistisch präzise, ausführten…— Die Verantwortung hierfür, die schoben sie ihm, dem Krieg, oder aber einem erdachten „Gott“, in die Schuhe! So klang es ihm noch ferne im Ohr: „Deus lo vult!!“ Der Krieg dachte geflissentlich an all die Progrome, Genozide, all diese teils im industriellen Maßstab durchgeführten Massenvernichtungen menschlichen Lebens — zwar stets durch Menschlinge erdacht, geplant und auch ausgeführt, jedoch grundsätzlich „im Namen des Krieges“ begangen. Was zum Teufel dachten sich Menschen nur dabei…?! Er schüttelte erneut seinen Raubtierkopf. Freilich, den Tod, seinen älteren Bruder, freuten derartige Geschäfts-Verbindungen mit den Menschen. Für ihn waren solche bestialischen Zeiten wie „Bankette“ an üppig gedeckten Tafeln, an denen er genüßlich schmausen und sich gütlich halten konnte, bis hin zur Völlerei…
Nun jedoch, als der Krieg, brennend vor Mordlust, unter den Zinnen von „Ilion“ stand, da leckte er sich voller Vorfreude auf den bevorstehenden Riss seine blutigen Lefzen, da mutierte er wieder zum alles verschlingenden Rachen eines Leviathan, und schlug seine stählernen Pranken in „Trojas“ Stadtmauern, dass die Steinquader barsten. Das Fest der Schlachten wie auch das Schlachtfest der Eroberung hatte begonnen. Kein Mensch würde heute geschont werden — weder Alte noch Frauen noch Kinder; heute würden keine Gefangenen gemacht…— Die Menschlinge verlangten all dies von ihm — und er, der Krieg, hatte diesem menschlichen Verlangen zu gehorchen…
Und während der Krieg wütete, während er sich von allen Seiten her gegen die eisenbeschlagenen Stadttore sowie die festgefügten Mauern „Ilions“ anwarf, da dachte er daran zurück, wie alles vor ewigen Zeiten, zu Anbeginn der Menschheit, mit ihm begann. Wahrhaftig, der Grieche aus Ionien, den die antiken Zeitgenossen ehrfurchtsvoll „den Dunklen“ nannten, hatte ihn bereits trefflich charakterisiert, als er feststellte: „Krieg ist Vater von allen, König von allen. Die einen macht er zu Göttern, die anderen zu Menschen, die einen zu Sklaven, die anderen zu Freien.“ Und weiter: „Unsterbliche sterblich, Sterbliche unsterblich: Sie leben den Tod jener, und das Leben jener sterben sie.“ (Diels, Kranz: 105-107) Während der Krieg also instinktiv seine mörderische Geißel schwang, seinen todbringenden Speer schleuderte, seine Rammen bediente, seine Kanonen justierte, seine Bombenteppiche fallen und Schrapnells regnen ließ, während er seine Präzisions- und Lenkwaffen zentimetergenau über große Distanzen zielsicher steuerte, da blickte er Gedanken-verloren zurück in die graue Vorzeit seiner eigenen Kindheit und Jugend. Damals, vor mehreren Millionen Jahren, als der Affen-Mensch den „aufrechten Gang“ erlernte, vom Baum herunterkletterte, den heimischen Wald und die ihm vertraute Savanne, seine angestammte Heimat, verließ und in alle Welt abwanderte und das vertraute Rudel sich zu einem Verband, einer Sippe, um-gestaltete. Damals, als aus losen, naturgegebenen, tierischen Instinkt-Sicherungen sich erstmals „menschliche Beziehungen“ organisierten. Damals, als er, der alles erschaffende Krieg, selbst noch ein unschuldiges Kind, höchstens jedoch ein aufmüpfiger Jugendlicher war. Da, im prähistorischen, sogenannten „Paläolithikum“, als die wanderten Sippen erstmals nach Regeln und ungeschriebenen Gesetzen zusammenlebten, als sie anfingen, sich Werkzeuge aus Knochen oder Stein für die Jagd zu erfinden und nicht nur spontan zu gebrauchen, als diese erste Menschen zudem lernten, das Feuer für sich zu nutzen — damals also, fast 2,6 Millionen Jahre von seinem heutigen Standpunkt aus entfernt — da sah er sich schemenhaft aus dem Schatten der menschlichen Lebens-Wirklichkeit heraus-treten. Er überblickte die gesamte Menschheits-Geschichte, diesen weiten, offenen, unabschließbaren Horizont aus menschlicher Entwicklung, aus technischen Erfindungen und zufälligen oder gezielten Entdeckungen, all jenes, was von Menschen aller Zeiten als „Fortschritt“ postuliert wurde, all diese verwirrenden Empfindungen, Erlebnisse, sich wider-streitenden Emotionen und darin, ineins, die Genealogie seiner selbst. Menschheit und Krieg waren niemals ohne einander… Es war ein 360° Panorama-Schlachtengemälde, mit Menschenblut gemalt, das er innerlich an sich vorüberziehen sah: Der Krieg sah das Werden des sog. „homo erectus“, des „ersten Menschen“, wie er in Höhlen hauste, sich dort vor wilden Tieren verbarg und sich vor den Unbill der Witterung zu schützen suchte. Noch kannte dieser Menschling weder Wort noch Sprache, weder Kultus noch Religion, weder den verhängnis-vollen Dualismus eines in Kategorien organisierten Begriffs-Denkens, noch moralische Instanzen wie etwa „Gut“ und „Böse“. Das alles kam später — entwicklungs-geschichtlich: sehr viel später. Der erste, aufrecht gehende Mensch lebte: noch. Geburt und Tod waren ihm gleich gültig. Erschlug er einen aus seiner eigenen Gattung, so war es ihm, als ob er ein Stück Wild günstig erlegt, als ob er Jagd-Glück gehabt hätte. Noch tötete er, um zu jagen; und er jagte, um überleben zu können. Noch kannte dieser Mensch weder Eigentum noch Besitz, auch waren ihm Neid und Hass gänzlich fremd. Als homo erectus kannte er weder ein ihn maßregelndes Gewissen noch dessen „Gewissensbisse“. Er lebte innerhalb der Natur, als Teil der Natur. Sein einziges Ziel war wert-frei: überleben…—
Sinnierend, jedoch zugleich auch kämpfend, stand der Krieg vor „Trojas“ Toren, als quasi im Zeitraffer jenes Schlachten-Panorama des Menschen vor seinem geistigen Auge Revue passierte — und ineins damit, wie sich seine eigene Entwicklung und Metamorphose im Laufe der menschlichen Entwicklung vollzog: Auf die Bildung der ersten menschlichen Rudel folgte die Strukturierung der Sippen, der Horden, der Clans, der Stämme. Die Ersteren folgten noch einem natürlichen Anführer; vielleicht dem erfolgreichsten Jäger und Sammler der jeweiligen Gruppe; Letztere jedoch lebten bereits nach festen Regeln, woraus später „ungeschriebene Gesetze“ und etwa ab dem 4. Jahrtausend vor Christus „geschriebene Gesetze“, etwa das „Keilschriftrecht“, entwickelt wurden. Diese wählten bereits ihren Anführer bzw. Anführerin zum Clan-Führer, zum Stammes-Fürsten, zum Stammesoberhaupt, dem Häuptling, zum König.
Zu diesem Zeitpunkt der Stammeskulturen waren bereits achttausend Jahre menschlicher, kultureller Entwicklung ins Land gegangen. Denn bereits um das 12. Jahrtausend vor Christus begann ein neuer Abschnitt der Menschheits-Geschichte: Im sog. „Fruchtbaren Halbmond“ wandelten sich nomadisierende Jäger und Sammler zu seßhaften Ackerbauern und Viehzüchtern; es vollzog sich der Prozess der sog. „neolithischen Revolution“. Sie besagt, dass diese Sippen genug Getreide und Vieh erzeugten, und deshalb beides konnten: sie konnten sowohl Getreide und Vieh im täglichen Bedarf verzehren und zugleich auch noch Vorratshaltung betreiben. Getreide war fortan beides: „tägliches Brot“ und Saatgut für das kommende Frühjahr zugleich; Haustiere waren beides: anders als Wild, das erst mühsam gejagt werden musste, waren sie eine hochwertige Proteinquelle, die am Haus zur Verfügung stand; und gleichzeitig lieferten Haustiere wichtige Produkte, wie etwa Wolle, Häute, Felle, sowie Lebens-Mittel, wie etwa Milch, Eier, Fleisch… Aus Wildpflanzen wurden nach und nach Kulturpflanzen; aus Wildtieren wurden Haus- bzw. Nutztiere. Die Domestizierung der Natur durch den Menschen hatte mittels gezielter Selektion begonnen…—
Der Krieg schmunzelte. War es denn nicht exakt diese zweite „menschliche Revolution“, dieses menschliche Vermögen zur „klugen Bevorratung“, das in Kürze zum wesentlichen Antrieb aller Kriege führen würde? So etwa im prädynastischen Ägypten der „Merimde-Baradi-Kultur“ (4.500 v.Chr.); so auch, fast gleichzeitig, in Mesopotamien im Reich der Sumerer, Akkarder, Babylonier, Assyerer, u.a.m. . Die Ägypter erfanden sich die Hieroglyphen, die Sumerer die Keilschrift. Beides diente u.a. der Bezeichnung und Protokollierung der Vorräte an Getreide, Saatgut, Vieh, an Lebens-Mitteln ganz allgemein. Auch Ziffern und Zahlen erfanden sich die frühen Kulturen, etwa um besagte Vorräte „messen“, wiegen und zählen zu können. Zeichen, Alphabet und Schrift sowie Zahl und „Maß“ schufen jedoch auch Unterschiede in der Gemeinschaft, die sich zur späteren „Feudal-“ bzw. „Stände-Gesellschaft“ ausdifferenzieren würde. Hier gab es fortan kein „primus inter pares“ (Erster unter Gleichen) mehr, sondern eine „gottgewollte Hierarchie“ mit einem „Oben“ — hieße er nun „Pharao“ / „Oberpriester“, „Großkönig“, „Cesar“ oder „Kaiser“ — und einem „Unten“, bestehend aus „Bürgern“, „Handwerkern“, „Freien“ und „Sklaven“…—
Der Krieg lachte bei dieser Erkenntnis gällend auf. Wie konnte der Mensch nur so dämlich sein! Unglaublich, einfach unfassbar!! Warum…?! Weil in eben dieser Protokollierung von Gütern und in dieser gesellschaftlichen Abstufung schon der Keim für Neid, Habgier, Mißgunst, Zwietracht, Hass und letztlich Krieg gelegt wurde… Diese Fünf waren seine Lieblings-Geschwister. Denn ohne sie kam er niemals ins „Geschäft“ mit den Menschen. Er musste unwillkürlich an Kain und Abel denken — der eine Ackerbauer, der andere Viehzüchter und Hirte. Der Erstgeborene erschlägt aus Neid und Mißgunst den Zweitgeborenen; der Seßhafte mordet den Nomadisierenden, den „Wanderer“, den „Peregrinus“… War dieser Brudermord denn nicht die allgemeine Blaupause für alle Kriege…—?
— Fortsetzung —