Das Kainsmal


Das Kainsmal

03.01.2018 bis 13.05.2018

 

In der jüdischen Tora („Weisung“, „Gesetz“) sowie dem Tanach (hebr. Bibel), die in der griechisch-lateinischen Bibel-Übersetzung „Der Pentateuch“ („Das aus fünf Büchern bestehende [Buch]“) genannt werden, gibt es eine interessante Stelle zur seelischen Ambivalenz des Menschen. Es ist die Erzählung von „Kain und Abel“ (1. Mose 4, 1-16). Die Rahmen-Handlung ist schnell erzählt: Kain ist der Erstgeborene von Adam und Eva. Er wird Ackerbauer werden. Der Zweitgeborene heißt Abel. Er wird Viehzüchter und Hirte werden. Als die beiden Brüder Jahwe-Gott ihr Opfer darbringen, zieht Jahwe das Opfer des Zweitgeborenen (das Fett der Erstlings-Lämmer) jenem des Kains (die Früchte seines Ackers) vor und schaut gnädig auf Abels Opfer-Gaben (1. Mose 4, 4). Über diese Zurückweisung seines Dank-Opfers sowie die Zurücksetzung als Erstgeborener wird Kain sehr ärgerlich und zornig und plant in seinem „Herzen“ den Bruder-Mord als Vergeltung für diese erlittene Schmach. Jahwe-Gott weist Kain jedoch gerade auf diese „Sünde“ seines Zornes hin, wenn er ihm rechtes und unrechtes Handeln, sowie die Folgen hiervon, vor Augen führt (1. Mose 4, 6-7.). Aber auch Kain ist als „freier Mensch“ geboren und behält somit die Bedingung zur Möglichkeit der Wahl in seinen Händen. Und Kain entscheidet sich für seinen „Zorn“ sowie seine Rache, d.h. für seinen affektiven Charakter, lockt seinen Bruder Abel aufs „Feld“ (also auf seinvertrautes Terrain…), um ihn dort zu erschlagen (1. Mose 4, 8). Der Bruder-Mord wird zwar von Jahwe-Gott bestraft, aber nicht nach dem „Gesetz der Blut-Rache“, worunter Kain und sein Stamm zukünftig stehen werden. Sondern indem er Kain mittels eines Zeichens für alle anderen Menschen sichtbar „schützt“ (1. Mose 4, 9-15). Und wer es wagen sollte, den Kain zu erschlagen und seinerseits nun Rache zu üben, an dem soll das Gesetz der Blutrache siebenfach vollzogen werden (1. Mose 4, 15). Anders als die Menschen „vom Stamme Kains“ setzt Jahwe der Sünde wie auch dem Frevler eine Grenze und ermöglicht ihm den Ausweg aus seinem Lebens-Dilemma: nämlich eine erlittene Kränkung mit Ärger und (Jäh-)Zorn zu beantworten, bis hin zum Bruch des Gesetzes: „Du sollst nicht töten“ (2. Mose 20; bzw. das 5. Gebot). Für die Mit-Menschen Kains setzt Jahwe-Gott ein deutlich sichtbares Warn-Zeichen — jedoch kein „Schandmal“ und soziales Stigma, wie es in der christlichen Kultur des Abendlandes gebräuchlich war, das bis ins späte 19. Jahrhundert deutlich sichtbar Menschen „branntmarkte“ (vgl. „peinliche Strafen“ in verschiedenen Kulturen von der Antike bis zur Neuzeit). Dem Frevler selbst ermöglicht Jahwe-Gott jedoch eine bleibende Chance auf Umkehr. Folgerichtig schließt sich an die Erzählung des Bruder-Mordes die Genealogie von „Kains Nachkommenschaft“ (1. Mose 4, 17-26) sowie die Genealogie der „Patriarchen vor der Sintflut“ an (1. Mose 5; Buch der Nachkommen Adams).

 

Wenn wir uns heute in der Welt umsehen, wo erkennen wir heutebesagtes „Kains“-Zeichen?

Ein moderner „Prototyp“ Kains ist in aller Munde. Ein Mensch, der es genießt und liebt sich selbst als „Killer“ zu bezeichnen und dieses Image auch in immer neuen Variationen und Nuancen durch-zu-spielen. Er liebt es, andere Menschen nicht nur als „Gegner“, sondern darüber-hinaus als seine persönlichenFeinde wahrzunehmen. Und er genießt und liebt es, seine persönlichenFeinde— sei es nun im „Big Business“, sei es in der Welt-Politik — zu „eliminieren“, zu zerstören, Mund-Tot zu machen, auszumerzen, auszuradieren, kurzum: zu liqidieren, zu „töten“. Wohin dieser Mensch auch kommt und wo immer er auch öffentlich auftritt, überall dort sät er Neid, Groll, Hass und Wut; Zwietracht und Zwist unter die Völker der Welt zu säen statt Eintracht und Gemeinschaft zu stiften, das ist seine bewährte und zugleich auch brandgefährliche (Geschäfts-)Methode. Sie machte ihn zum Superreichen und „mächtigsten Mann der Welt“. Sowohl „nach innen“ hin, im eigenen Land, bei der eigenen Bevölkerung wie auch Gesellschaft; als auch „nach außen“ hin, z.B. wenn er wahllos und völlig beliebig Menschen als „Terroristen“ oder sog. „Terror-Staaten“ stigmatisiert. Wer sich voller Angst seinen Invektiven bzw. Mord-Drohungen beugt, wird von ihm ebenso niedergemetzelt, wie all jene, die es wagen sollten, diesem Menschen zu widersprechen oder sich sogar gegen seine Drohungen aufzulehnen. Die einen macht er via Twitter „Mund-tot“ und „Sprach-los“; die anderen überzieht er mit Verleumdungen aller Couleur sowie Gerüchten aller Art, die er und sein Macht-Apparat als „persönliche Fakten“ proklamieren. Indes, erselbstkennt nur ein einziges Mit-Gefühl: allgegenwärtige, allumfängliche Rache, die er etwa an seiner unmittelbaren Umgebung im sog. „State Department“ an all jenen Ministern und Berater/-innen verübt, die es wagen sollten, ihm in der Sachezu widersprechen. In solchen Fällen nimmt er postwendend genießerisch Rache, etwa wenn er Außenminister Rex Tillerson via Tweet feuert (31.03.2018) — und den Rest seiner Mischpoke „auf Linie trimmt“. Donald J. Trump liebt und genießt es in vollen Zügen, wenn er seine persönlichenFeindedemütigen, erniedrigen und vor laufender Kamera bzw. in Twitter — global und „in coram publico“ — abschlachten kann. Diesen Genuss gönnt er sich an Jedem und jedermann — unabhängig des Amtes, der Person oder auch des Sachverhaltes, oder wenn er etwa seine diversen „persönlichen“ Dekrete unterschreibt und sie mit seinem typischen Alligatorengrinsen in die Kameras der Welt hält. Trump gleicht in seiner berechenbaren Rach-Sucht der heutigen Re-Inkarnation des biblischen Kains. Und wie einstmals Kain, der sich an Jahwe-Gott nicht rächen konnte und sich deshalb an seinem Bruder stellvertretend rächte, so rächt sich Donald J. Trump immer wieder an seinen Nächsten, den „Vertrauten“, den „Beratern“ und „Ministern“; aber eben nicht nur an diesen…—

Indes, andere Diktatoren kennen aus eigener Welt-Anschauung und je eigenem Erleben nur zu gut dieses mörderische Gefühl zum zwanghaft-wahnhaften Handeln. Diese Hybris der grenzenlosen Eigen-Macht, die ihnen ungestraft alles Erdenkliche erlaubt. Denn sie wähnen sich „sankrosankt“. Auf der anderen Seite solcher Emotionen, quasi als Gegen-Entwurf zum Größen-Wahn des „inneren Neros“, lassen diese emotionalen Projektionen jedoch keinen anderen Spiel-Raum zu, noch lassen sie den Akteuren irgendeine andere Wahl, als eben jene zur Gewalt — sei es nun verbal, sei es als reale Handlung. Es gibt in diesen Kains-Menschen nur ein einziges Macht-Erhaltungs-Gesetz: Mord in all seinen möglichen Variationen und Schattierungen. Und sei es „Völkermord“. Die Anzahl der Ermordeten spielt für sie indes keinerlei Rolle — das reicht vom (Stief-)Bruder über Familien- und Sippenmitglieder, bis hin zu ganzen Ethnien, Glaubens-Gemeinschaften oder aber das eigene Volk…— Kain zu sein ist kein einfacher „Job“, wohl aber ein durchaus „lukrativer Deal“, sofern man Macht hinzugewinnen vermag. Sagt Kain.

 

Und interessant, wie sich doch die scheinbar entgegen-gesetzten Extreme in ihren Emotionen, ihren Motivationen, ihrer „Denke“ und ihren Taten gleichen! Wie ein Ei dem anderen! Lediglich die „Vorzeichen“ werden je nach Blick-Richtung und Stand-Punkt verschoben: Hier die amerikanischen „good guys“, die angeblich weltweit für „Recht & Ordnung“ sorgen, indem sie Amerika und seine Trump-Verbündeten wieder „great“ und allmächtig machen wollen; dort jedoch die „Schurken-“ bzw. „Terror-Staaten“, die es zu „eliminieren“ gilt. Sagen Trump & Konsorten. Doch auf der anderen Seite dieses Extrems versteht z.B. ein Diktator vom Schlage eines Kim Jong-Un nur zu genau, dass er, sofern erals erster „blinzelt“ oder vor seinem „Bruder im Geiste“, Donald Trump, gar „einknickt“, vielleicht sogar Furcht oder schlimmer noch: Angst zeigt, er von jenem amerikanischen „Killer“ Gnaden-los vernichtet werden wird. Also fletscht Kim weiter die Zähne und schießt von Russland (oder China??) gekaufte Trägerraketen himmelwärts. Oder wie jüngst, man streitet sich ernsthaft darüber, wer nun den größeren „red button“ auf seinem Schreibtisch hat… Welch andereWahl bleibt ihm im Falle Trumps und vor allem: in Trumps Falle…—? Dem amerikanischen Kain ein fast identischer, asiatischer Zwillings-Bruder. Jähzornig, rachsüchtig, kaltblütig — ängstlich. Und doch, gerade weil beide Macht-Menschen Brüder ein und desselben Geistes sind, wird es in Kürze zu einem Treffen beider Präsidenten kommen. Wie Caniden müssensie sich persönlich treffen, müssensich ein- und abschätzen, müssensich gegen-seitig „beschnüffeln“. Der Diktierende ist dem Diktator ein Menschen-Wolf. Die dunkle, abgründige Seite ihrer Persönlichkeit erzwingt diesespersönliche„Vier-Augen-Treffen“ von ihnen (Update: das Gipfeltreffen ist nun für den 12. Juni 2018 in Singapur vorgesehen)…— Schon oft kam es in der Geschichte der Menschheit zu solch legendären „Feldherren-Treffen“, obschon doch die Widersprüche beider Verhandlungs-Partner nicht gegensätzlicher hätten sein können. Mal waren es tatsächlich „Heerführer“ (z.B. der christlicheRichard Löwenherz mit dem muslimischenSultan Saladin), mal waren es ganz einfach nur „Diktatoren“ (im übertragenen Sinne etwa der sog. „Hitler-Stalin-Pakt“ vom August 1939 zwischen dem faschistischen„Dritten Reich“ und der kommunistischenSowjetunion). Danach — nachden vordergründigen „Wort-Gefechten“ und „Rede-Schlachten“, nachdem Einschätzen und „Taxieren“, nachden „atmosphärischen Bildern“ und „Freundschafts-Bekundungen“, nachdem politischen „Tauwetter“ und den „Friedenstauben“ (vgl. u.a. das „historische Zusammentreffen“ des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In Ende April 2018) — gab es immer konkreten Krieg. Warum sollten die „Trumps“ unserer Istzeit glücklicher davonkommen? Sie stehen ja alle noch immer unter dem selben Gesetz.

 

„Nach außen“ hin und welt-politisch setzt Kain-Trump seine unstillbare Rache wie einen Schneid-Brenner ein — denken wir nur an all die Zwietracht, den Hass und die Spaltungen der letzten Wochen und Monate, die Trump unter die Völker dieser Welt zu säen verstand: etwa durch seine Ankündigung der Verlegung der amerikanischen Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem und damit indirekt die Anerkennung von ganzJerusalem als die alte wie auch die zukünftige Hauptstadt Israels (05.12.2017; Update: 13.05.2018: am Montag, den 14.05.2018, dem 70. Jahrestag der Gründung Israels, wird diese Androhung durch die Trump-Administration Realität werden; Trump und Netanjahu wissen nur zu genau um die Wirkmächtigkeit solch symbolträchtiger Bilder — zumal wenn diese maßgeschneidert gegen ihre erklärten Feinde gemünzt und zielführend im Sinne Trumps eingesetzt werden können…). Damit wiederum die implizit von Trump geduldete Vernichtung der Palestinenser und Araber auf dem von Israel beanspruchten Terretorium durch rechts-nationale, fundamentalistische Strömungen innerhalb der israelischen Politik, dem Netanjahu-Kabinett (Likud-Block, dem u.a. Naftali Bennett, Avigdor Lieberman, Moshe Feiglin, et al. angehören oder angehörten…). Schon die Trump-Netanjahu-Begrüßung bei dieser Ankündigung: ein alles künftige Unheil besiegelnder „Judas-Kuss“; denn die nächste Intifada würde der Anfang vom Ende nicht nur eines „Palestinenser-Staates“, sondern des palestinensischen Volkes überhaupt sein… Und Trumps triumphierend-auskostendes „Killer“-Grinsen in die Kameras der Welt als beredt schweigender Kommentar hierzu. Diese geradezu über-menschliche Genugtuung, die sich in seinen Zügen widerspiegelte, als er seine Schaden-Freude darüber nicht länger verbergen mochte, dass er, „the real Donald Trump“, mit seiner bloßen Ankündigung der Botschafts-Verlegung den Traum von hunderttausenden Palestinensern und ebenso vielen Israelis vernichten, verbrennen, ja vollkommen einäschern werde und ineins damit alle Anstrengungen seiner Amtsvorgänger zu einer friedlichen Lösung der letzten 20-30 Jahre im sog. „Nahost-Friedensprozess“ (siehe Oslo I / II, Camp David I / II, etc.pp.) zunichte machen würde. Welch ein übermenschlicher Trump-Triumph!! Trump diskutiert keine Vision einer friedlichen „Zwei-Staaten-Lösung“ — er löscht sie ganz einfach aus… Und er, the realDonald J. Trump, der einstmals Gekränkte, vielleicht auch Gedemütigte, genießt es nun in vollen Zügen und hunderttausendfach, endlich hierfür ungestraftRache nehmen zu können: an den Mächtigen und Mächtigsten dieser Welt (mögen sie nun Putin et al. heißen), an den großen Wirtschafts-Systemen (mögen sie nun China oder aber Europa lauten) ebenso sehr, wie an Millionen von Wehrlosen (z.B. mexikanische Erntehelfer), an Schwächeren (z.B. Latinos und Afroamerikaner), an gänzlich Unbeteiligten (z.B. SchülerInnen vs. NRA)…— Seine „Kains-Keule“, sein „Schwert“, seine Präzisions-Waffe ist der allseits gefürchtete, weil alles zersetzende „Trump-Tweet“. Trump weiß das — und genießt es in vollen Zügen.

Fortsetzung folgt