IM BLÄTTERRAUSCH


 

IM BLÄTTERRAUSCH

Die Begebenheit, von der ich nun berichte, ereignete sich im Winter des vergangenen Jahres. Die Kulturabteilung unserer Stadt hatte mich zu einer Lesung aus meinem neuen Buch Abenteuer der Nacht eingeladen, das der Verlag für die Frühjahrsmesse angekündigt hatte.

Ich fuhr also mit dem Bus von Eppenhain nach Kelkheim-Münster. Die närrischen Tage waren gerade vorbei; Einzelheiten des Fischbacher Karnevalszuges traten vor mein geistiges Auge und zogen vorüber. Während der  Fahrt tastete ich, wie meist vor Lesungen, nach meinem Manuskript. Ich war beruhigt.

Dort angekommen musste ich nicht weit gehen; denn das Stationshaus des Bahnhofs war zu einem Bürgerzentrum umgestaltet worden.

Die Organisatoren hatten alles bestens vorbereitet.Der Saal füllte sich langsam. Schließlich erreichte der Zeiger an meiner Uhrfür diesen Tag sein Ziel: Die Veranstaltung konnte beginnen.

Die Vorsitzende der Abteilung für Kultur begrüßte das Publikum mit wohlgesetzten Worten, in denen sich Ernst und Humor auf angenehme Weise die Waage hielten. Ich war erstaunt, wie genau sie mein bisheriges schriftstellerisches Wirken kannte.

Dann betrat ich – meinerSache sicher– das blumengeschmücktePodium. Während ich die Mappe mit dem Lesungstext öffnete, hieß ich meinerseits die Zuhörer willkommen. Dann legte ich das Deckblatt um und schaute – schaute auf ein leeres Blatt! Rasch blätterte ich weiter –  strahlendes Weiß, nichts als strahlendes Weiß stach mir in die Augen.

In meinem Kopf schlug etwas–ich wusste nicht, was es war– ungestüme Purzelbäume. Ich versuchte ein wenig zu lächeln, vermute aber, dass nur eine erbärmliche Grimasse dabei herauskam.

Im Raum brandete mir eine verwirrte Menge entgegen. In einer der vorderen Reihen erkannte ich erst jetzt meinen ehemaligen Chef, der stets große Stücke auf mich gehalten hatte. Ich wollte etwas sagen, aber es gelang mir nicht einmal zu stammeln.  Schweigen lähmte mich, während die Masse immer lauter wurde. Buhrufe ertönten, Gelächter brach los, einzelne Fäuste reckten sich in die Höhe. Meine Hände, inzwischen feucht geworden, klammerten sich an die Leere. Unerträglich war das Licht der Schweinwerfer, der Lärm eine Pein.

Da erwachte ich. Nächtlicher Herbststurm umbrauste mein Haus.