Verbrannt


Verbrannt

 

Erschüttert standen die Bewohner vor dem Haus, als der Zinksarg langsam an ihnen vorbeirollte. Trotz der Wärme des Spätsommers fror Rosie. Angespannt zog sie ihre Jacke enger um die Schultern.

Karin war tot! Schockiert starrten alle der Prozession hinterher. Die Räder unter der Metallkiste rumpelten rhythmisch auf den Pflastersteinen, was einem Totengesang ähnelte.

Rosie zückte ein Taschentuch. Tränenverschleiert beobachtete sie, wie die langjährige Nachbarin im Leichenwagen ihre letzte Reise antrat.

Dann quietschte die Haustür erneut. Der Veterinär trug die schwer verletzte Mieze der Verstorbenen in sein Fahrzeug. Diese hatte starke Verbrennungen erlitten, konnte jedoch gerettet werden. Der kleine Lichtblick am dunklen Horizont rührte die Anwesenden endgültig zu Tränen.

Leise schluchzend wollte Rosie in ihre Wohnung, doch die Hausgemeinschaft musste ausharren. Ein unmöglicher Mann stellte unangenehme Fragen. Was sollte das? Schliesslich fiel Karin einem Unfall zum Opfer. Aus welchem Grund war die Polizei überhaupt hier?

 

Kommissar Jan Huber überdachte nach der Befragung kurz sämtliche Zeugenaussagen. Karin Maler briet in ihrer Küche Speck. Laut der Nachbarn machte sie das im englischen Stil. Die Pfanne war deshalb bis zum Rand mit Öl gefüllt, sodass das Zeug darin schwamm. Während des Kochens sprang ihr offenbar die Katze zwischen die Füsse. Frau Maler verfügte mit ihren achtzig Lenzen über wenig Standfestigkeit und fiel zu Boden.

Das alleine fand der Polizist nicht erstaunlich. Aber wie der siedend heisse Bräter zielgenau den Kopf der Gestürzten traf und ihr ein Loch in den Schädel schlug, verblüffte ihn. Der Fallwinkel mutete merkwürdig an. Weshalb floss das kochende Fett in den geöffneten Mund der Rentnerin?

Der Ermittler dachte mit Grauen an den Todeskampf der Seniorin, welcher ihrem Dasein ein grausames Ende setzte.

Was war mit der Mieze? Riss die Fellnase die Bratpfanne herunter? Ihren massiven Verbrennungen nach zu urteilen, schien diese Variante eine Möglichkeit zu sein, welche passen würde.

Er studierte wiederholt die entsetzten Mienen der Hausbewohner. Einige hatten durch die offene Tür einenBlick auf das komplett verbrannte Gesicht der Getöteten erhalten, als der Arzt die Leiche untersuchte. Daher waren die Herrschaften kaum in der Lage, brauchbare Zeugenaussagen abzugeben.

Seufzend hakte Jan Huber den Sachverhalt vorläufig als Unfall ab. Er ging zu seinem Wagen, da heute keine weitere Klärung zu erwarten war.

 

Erleichtert hastete Rosie in ihreWohnung zurück. Dort trat sie ans Fenster. Von hier aus konnte sie direkt in Karins Küche schauen. Es gab keine Vorhänge, da die Nachbarin zu Lebzeiten gerne ihre Mitmenschen ausspionierte. Mit dieser Taktik befriedigte sie mit Vorliebe ihre grenzenlose Neugier.

Rosie reckte den Hals. Die riesige Fettlache glänzte auf dem Linoleum. Darin der Speck, der, wie Rosie sich einbildete, das Blut aufsog.

Sie holte ihre Brille und starrte nochmals zum Unglücksort. Die Erinnerung zeigte ihr das Tier, welches begeistert dem grünenPunkt hinterherrannte. Erst brachte das Vieh Karin wie geplant zu Fall, dann sprang es auf den Pfannenstiel, um das wandernde Licht zu erwischen. Samtpfötchens Gewicht erledigte den Rest.

Vorsichtig zog Rosie die Schublade des Küchentischs heraus. Zärtlich strichen ihre Finger am Laserpointer entlang. Es war erstaunlich, wie zielgerichtet sie das Tier damit hatte führen können.

Lächelnd marschierte sie ins Wohnzimmer, um mit einem Cognac den ersehnten Sieg über die verhasste Gegnerin zu feiern.