Der Bericht des Sekretärs
Zweiter Teil
Der Gefangene riss ängstlich die Augen auf:
Schon gut, Herr! Ich sage dir alles! Alles was du willst!
Valentinus nickte und begann das Verhör:
Name?
Tryphon, antwortete der Gefangene.
Tryphon aus…?
Aus T., Herr.
Name der Mittäter?
Ich kenne nur vier, Herr! Caecilius, Octavius und Minucius aus T. Der vierte heißt Hippolythos, wo er herstammt, weiß ich nicht, Herr!
Bestimmt nicht?
Ich schwöre es beim Jupiter, Herr!
Wie viele wart ihr insgesamt?
Sechs, Herr.
Was habt ihr geschmuggelt?
Zwei schwere Kisten, Herr. Wir durften sie nicht öffnen, sie waren auch gut versiegelt.
Schwere Kisten? Wer hat sie euch gegeben?
Ich weiß nicht, Herr. Gestern Nacht hieß es, wir – also ich meine uns vier aus T. – sollten sofort zu den Zedern am Fluss kommen. Als wir ankamen, waren die beiden andren schon da.
Von wem habt ihr die Kisten erhalten?
Von einem verkleideten Mann, er stand da mit seinen Leuten, die ebenfalls getarnt waren.
Wo solltet ihr die Kisten hinbringen?
Zu den Grenzsoldaten.
Zu den Grenzsoldaten?
Ja, Herr, zu den Grenzsoldaten. Ich weiß auch nicht, warum uns die dann angegriffen haben. Der verkleidete Mann hat ausdrücklich gesagt, es würde uns nichts geschehen von den Grenzsoldaten, wir sollten die Kisten bei ihnen abgeben.
Bei den Grenzsoldaten abgeben? vergewisserte sich Valentinus.
Der Gefangene bestätigte es ihm, als ein Klopfen an der Zellentür das Verhör vorläufig beendete. Valentinus stand auf und entdeckte Lactantius, der ihm bedeutete, nach draußen zu kommen.
Was gibt’s? fragte Valentinus auf dem Gang.
Wir haben die Messerstecher von heute Morgen gefasst. Sie heißen Cacilius, Octavius und Minucius und stammen aus T.
Wurden sie schon über den Grund ihres Streits befragt?
Ja, Herr. Es sind Schmuggler, sie gehören zur Bande, die gestern Nacht vor meinen Soldaten fliehen konnte.
Der Grund des Streits?
Sie haben sich gegenseitig des Verrats bezichtigt, weil ihre Sache schief gegangen ist. Einer der Kerle hat eine Stichwunde am Arm.
Schon gut! Lass mich allein!
Valentinus dachte an seinen Bericht für den Präfekten. Die Puzzleteile legten sich in seinem Kopf zu einem Bild zusammen, wenn auch die fehlenden Teile noch hineinpassten:
Was steckte dahinter, dass die Grenzsoldaten anders reagiert hatten, als von den Schmugglern erwartet? Ein Zufall? Ein Missverständnis?
In wessen Auftrag nahmen bestimmte Grenzsoldaten Schmuggelware entgegen? Ich sag’s dir, Präfekt, murmelte Valentinus vor sich hin: Nur du selbst kannst einen solchen Befehl erteilen. Die konfiszierte Schmuggelware genügt dir nicht, du sorgst für entsprechenden Zugewinn! Der vom Fuhrwerk angefahrene und getötete Mann ist vielleicht der letzte der Bande, der uns noch fehlt. Valentinus dachte an den Mann, der den tödlich Verletzten zur Krankenstation gebracht hatte. Stell dir vor, Präfekt, murmelte er wieder, in deiner Provinz gibt es noch ehrliche Menschen, zumindest einen! Wird sich dein Sekretär den Luxus der Ehrlichkeit erlauben können? Bis morgen habe ich Zeit, darüber nachzudenken. Mögen mir die Götter guten Rat erteilen!