Douglas Adams und nordische Magie


dsc_n047

Douglas Adams und nordische Magie

Die Lofoten können gar nicht von Gott gemacht worden sein. Ein Gott, der sich ganze sechs Tage Zeit nimmt, um unseren Planeten zu erschaffen, einschließlich Deutsches Reinheitsgebot, Große Hausordnung und Vorsteuerabzugsberechtigung, so ein Gott hat keine Zeit für Spielchen, und für Späße schon gar nicht.

Die norwegische Küste ist ein einziger Spaß und die Lofoten sind so etwas wie die Pointe.

Besser als die Variante der göttlichen Schöpfung gefällt mir daher die Theorie, die Douglas Adams in seinem Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ aufgestellt hat. Demnach ist die Erde gar kein natürlich entstandener Himmelskörper, sondern ein auf dem Planeten Magrathea von hochspezialisierten Ingenieuren und Designern entworfener und gebauter Supercomputer (wer wissen will, warum dieser Computer gebaut wurde, der muss schon das Buch lesen…)

Jener Designer namens Slartibartfast, gepriesen sei sein Name, der für das Design von Norwegen zuständig war, hat für seinen Entwurf damals sogar einen Preis gewonnen. Die Aufgabe lautete wahrscheinlich: Bringe in einem Land mit etwa 2.000 km Nord-Süd-Ausdehnung und maximal 450 km Breite mehr als 15.000 km Küstenlinie unter.

Beim ersten Versuch hat das offenbar nicht funktioniert, dann hätte er die Fjorde bis nach Schweden hineinziehen müssen, was wohl gegen die Ausschreibung verstoßen hätte. Also hat er im Nordwesten einfach noch ein paar Inselchen vor die Festlandsküste gepackt – Aufgabe erfüllt, Preis eingetütet und ab einen Gin-Tonic trinken (ein Getränk, das es laut Douglas Adams übrigens auf jedem bewohnten Planeten des Weltalls gibt, wenn auch überall in anderer Zusammensetzung).

Das Ergebnis jedenfalls ist eine spektakuläre Landschaft aus Bergen und Meer, mitunter schroff und dann wieder sanft, beengt und andernorts erstaunlich weitläufig. Einige der Felsen sind verwittert und zeigen so seltsame Formationen – mitunter glaubt man, ein Gesicht in ihnen zu erkennen – vielleicht hat sich Slartibartfast mit einem Selbstporträt verewigt. Und über dieser grandiosen Kulisse darf der Himmel seinen Hang zu Theatralik gründlich ausleben, dramatische Wolkenspiele sind auf den Lofoten im Preis inbegriffen.

dsc_n018

Die Bewohner der Lofoten sind sich der Schönheit der Inseln durchaus bewusst und zeigen sie auch gern – zumindest habe ich anderswo noch nicht erlebt, dass zur Ausstattung des Hotelzimmers ein Fernglas gehört, mit dem man staunend durch die große Fensterscheibe schauen kann.

Allerdings, das ist ein Teil der erwähnten Pointe, liegen die Lofoten ein gutes Stück nördlich des Polarkreises, was zur Folge hat, dass die Schönheit der Inseln im Sommer wegen des Polartages zwar rund um die Uhr bewundert werden kann, um die Wintersonnenwende herum allerdings längere Zeit komplett im Finsteren bleibt, falls es nicht gerade Polarlicht gibt.

Und Inseln im eigentlichen Sinn sind sie auch nicht mehr, der norwegische Drang, überall Tunnel und Brücken zu bauen, natürlich tief oder hoch genug, dass die Schiffe von Hurtigruten darüber hinweg oder drunter durch fahren können, hat zumindest die größten dieser Inseln komplett miteinander und mit dem Festland verbunden. Von Steinsland, dem letzten Ort auf dem Festland kann man bis an das Ende der Inselkette trockenen Fußes oder Reifens gelangen, schönes Wetter vorausgesetzt.

Und dort, ganz am Ende der Lofoten, liegt auch der Ort mit dem kürzesten Namen in Europa: Å. „Å“ ist übrigens nicht der erste, sondern der letzte Buchstabe des norwegischen Alphabets und wird gesprochen wie ein sächsisch gefärbtes „Oh“. Was sollten die Erstbesiedler der Inseln auch anderes sagen als „Oh!“, als sie feststellten, dass sie nunmehr das Ende der Welt erreicht hatten…

Der Spruch ist geklaut bei Christian-Ivar Hammerbeck, einem Hamburger Maler, der seit mehr als 20 Jahren auf den Lofoten lebt und keine Absichten hegt, wieder zurück nach Deutschland zu gehen. Er ist mit uns einen Tag lang über die Inseln gefahren und hat uns mit sichtlichem Stolz deren Schönheit präsentiert.

Dass wir diese Schönheit allerdings bewundern konnten, dazu musste ich ein wenig nachhelfen. Auf dem Weg nach Norden fing es hinter Trondheim zu regnen an und vor lauter Nebel hätten wir das Polarkreiscenter um ein Haar übersehen. Genauso gut hätten wir durch die norddeutsche Tiefebene rollen können. Also habe ich zu „nordischer Magie“ (oder zu etwas, was man mit gutem Willen als eine Karikatur davon bezeichnen könnte) gegriffen und ein Stück nördlich vom Polarkreis aus mehreren flachen Steinen einen Turm, genauer gesagt: einen Steinhaufen errichtet. Diesen habe ich zum Trollhaufen ernannt, in welchen ich den Schlechtwettertroll einfach eingesperrt habe. Und tatsächlich: Er hat sich aus dem Haufen erst befreien können, als wir bereits auf dem Rückweg vom Nordkap waren.

Mitunter greift man als Reiseleiter schon zu merkwürdigen Mitteln. Aber wenn‘s hilft… Wir haben unseren Aufenthalt auf den Lofoten bei strahlendem Sonnenschein genießen können, am Abend beschwerten sich sogar mehrere Reisegäste, ihr Hotelzimmer sei durch die Sonne geradezu unerträglich aufgeheizt worden. Und das knapp unterhalb der Arktis!

dsc_n050

Über seiner Haustür hat Christian den Spruch angebracht: „Einmal Lofoten – Immer Lofoten“. Diesen Luxus kann ich mir als Reiseleiter nicht leisten, nur von Reisen auf die Lofoten würde ich nicht über das Jahr kommen. Und also gingen die nächsten Reisen erst einmal nach England, dann (endlich wieder einmal) ans Mittelmeer, nach Frankreich und Italien. Aber manchmal schließen sich Kreise ganz überraschend: Im Hotel bei Verona gab es am Abend ein Gericht, das eine besondere Spezialität der Gegend um Vicenza sein soll: Bacalhao. Stockfisch. Und dessen Zubereitung haben wir auf den Lofoten ausgiebig kennengelernt, überall um Svolvær herum stehen die hölzernen Gestelle, auf denen der Dorsch durch die salzige Meeresluft zum Stockfisch getrocknet und konserviert wird.

Und die nächste Tour geht kommende Woche nach Schottland – in diesem Jahr wird das also nichts mehr mit einem erneuten Besuch auf den Lofoten. Aber für das kommende Jahr, da stehen sie mit ganz vorn auf meiner Wunschliste.

P.S. Natürlich gibt es nordwestlich von den Lofoten noch eine weitere Inselgruppe, die Vesterålen. Slartibartfast hat sozusagen wegen des großen Erfolges noch eine Zugabe gegeben. Aber, um noch einmal Christian-Ivar Hammerbeck zu zitieren, auf die Vesterålen fahren die Bewohner der Lofoten nur, um von dort aus zu staunen, wie schön ihre eigenen Inseln aus der Ferne aussehen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.