Kochen nach Landesfarben


Kochen nach Landesfarben

Wenn man als Reiseleiter etwas zur Genüge zu sehen bekommt, dann sind das Denkmale, Gedenksteine, Gedenkplatten in allen Formen und Größen. Überall hat es eine bedeutende Nase oder Näsin gegeben, die dort geboren, gestorben oder einfach nur abgestiegen ist. Das freut man sich, wenn man eine Gedenkplatte für etwas ganz anderes zu sehen bekommt.

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In der Innenstadt von Neapel, an der Ecke Via Chiaia/Salita Santa Anna di Palazzo befindet sich die Pizzeria Brandi. Und hier gibt es eine Platte, die aus dem üblichen Rahmen fällt. Keine Schlacht wurde hier geschlagen, kein gekröntes Haupt hat sich hier zur Ruhe gebettet, kein bedeutendes Künstler tat hier seinen ersten Schrei oder letzten Seufzer –diese Tafel erinnert daran, dass an diesem Ort vor über 120 Jahren die Pizza Margherita erfunden worden ist.

Die Erfindung einer neuen Speise bringt meiner Meinung nach die Menschheit eher nach vorn als die Erfindung einer neuen Waffe oder eines neuen steuersparenden Geldanlagemodells. Das ist ja wohl eine Gedenktafel wert.

Der Legende nach weilte im Jahr 1889 Margherita von Savoyen, Frau des italienischen Königs Umberto I., in Neapel, und der damalige Chef der Pizzeria Brandi und seine Frau erfanden extra für sie ein Teiggericht in den italienischen Landesfarben rot (der Grundbelag aus Tomate), weiß (Mozzarella) und grün (Basilikum, und benannten das Ganze dann auch noch nach der Königin.

(Dass das Rezept schon 1866 in einem Kochbuch gestanden haben soll, würde der Geschichte irgendwie den Zauber nehmen, also erwähne ich es gar nicht erst …)

Die neue Kreation kam hervorragend an, zumal auch der Geschmack stimmte. Der Staat war damals noch sehr jung, das vereinigte Italien ist ja mal gerade 10 Jahre älter als das vereinigte Deutschland unter Kaiser Wilhelm. Da wird der Nationalismus gern mal etwas größer geschrieben – irgendwoher kennt man das ja…

Aber wenn dies auf eine so schmackhafte Weise geschieht, dann kann man das viel leichter ertragen als manch anderen Auswuchs von Nationalismus, der mitunter eher Ausdruck eines Minderwertigkeitskomplexes zu sein scheint – als ob der eigene Geburtsort etwas sei, das man sich hart erarbeitet habe, weshalb man stolz darauf sein könne.

Kochen nach Landesfarben jedenfalls ist eine phantasievolle Sache. Leider scheiden dabei viele Länder von vornherein aus, es sei denn, man will Unmengen an Lebensmittelfarbe in den Topf kippen – ich will das nicht.

Schwarz wie bei Deutschland ist schon einmal problematisch. Es sei denn, irgendetwas ist komplett angebrannt – aber wer will das schon essen. Und auch Frankreich, die USA, Großbritannien, Russland oder Tschechien scheiden aus – das Blau ist einfach nicht hinzubekommen. Rot, gelb, grün, weiß: für die noch verbliebenen Kandidaten eröffnen sich da einige Möglichkeiten.

Und da wir bei Italien waren kommt hier jetzt die italienische Flagge ganz ohne Pizza auf den Teller. (Auch dieses Rezept ist schon erschienen, vor Jahren im Kochbuch eines Weingroßhändlers – aber da ich damals der Einsender war, sehe ich mich befugt, das hier noch einmal zu verwenden)

Man nehme also für vier Personen 4 Forellenfilets, 4 Fleischtomaten (die besten, die man bekommen kann), 4 Hände Rucola, ½ l kräftigen italienischen Weißwein, 100g durchwachsenen Schinkenspeck, 50g Butter, 2 EL Öl, Pfeffer, Salz, Rosmarin, Zitronensaft.

In einer großen Pfanne mit Deckel den gewürfelten Schinkenspeck anbraten, eher auslassen als Farbe annehmen lassen. Den Rucola zugeben und anschwitzen, dann mit dem Weißwein ablöschen, leicht salzen. Die Hitze reduzieren, die mit Zitrone beträufelten und leicht gepfefferten und gesalzenen Fischfilets auf den Rucola mit der Hautseite nach unten legen, Deckel drauf und den Fisch ca. 10 Minuten garziehen lassen. Die Tomaten überbrühen, häuten, aufschneiden, die Kerne entfernen und das Fruchtfleisch würfeln. In der Butter in einer kleineren Pfanne durchschwitzen und mit Salz, Pfeffer und gestoßenem Rosmarin würzen. Die Fischfilets aus der Pfanne nehmen und die Rucola-Wein-Mischung mit dem Zauberstab fein pürieren.

Auf den Teller kommt nun in der Mitte das Fischfilet, links davon den pürierten Rucola und rechts die Tomatenwürfel – bella, bellissima Italia!

Na schön, man kann damit auch andere Flaggen basteln. Den Teller drehen und schon ist man in Ungarn. Dann noch weiß und rot vertauscht, und uns lächelt Bulgarien entgegen. Dünstet man anstelle der Tomaten junge, in Scheiben geschnittene Möhren, dann geht das glatt als Irland durch, tauscht man rechts und links, dann hat man Côte d’Ivoire, die Elfenbeinküste. Oder man lässt es bei den Tomaten, und mischt den Zitronensaft mit Kurkuma oder Gelbwurz, ehe man die Fischfilets damit bestreicht (Curry würde ich hier nicht nehmen, der schmeckt zu stark vor), bevor man sie in die Pfanne legt, dreht man dann den Teller um 90 Grad, dann hat man Guinea oder Bolivien. Und legt man vor dem Servieren noch eine Scheibe Sternanis auf das Fischfilet, dann zeigt sich die Flagge von Ghana, nimmt man eine Scheibe Karambola, dann hat man in der senkrechten Ausführung den Senegal.

Der Phantasie sind also keine Grenzen gesetzt, wenn man mal einen kulinarischen Länderabend veranstalten möchte. Da wir aber ursprünglich bei Italien waren: Jetzt noch ein Stück Focaccia dazu (schreib ich vielleicht demnächst mal), ein Gläschen Weißwein – und anschließend fühlt man sich gestärkt, noch mindestens ein Dutzend weiterer Denkmale, Gedenksteine oder Gedenkplatten zu besichtigen.

 

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