Wer kann sagen, wir haben gelernt?


Wer kann sagen, wir haben gelernt?

Zwei Kommentare: August 1914 / Dezember 1918

 

Mainzer Anzeiger, Samstag, 8. August 1914

Seite 4 – Nr. 183

 

Der Kampf um das Deutschtum.

Der Kampf, durch den das Deutschtum vernichtet werden soll, ist entbrannt. Wenn heute die Triple-Entente als Siegerin aus dem gewaltigen Ringen um die Vorherrschaft in Europa hervorgehen sollte, dann wäre es um deutsche Art und deutsche Kultur geschehen. Nicht nur die politische Macht des Deutschtums würde zerstört, die deutsche Nationalität würde zurückgedrängt werden von dem Ansturm des Slawentums und seiner Verbündeten. Das ist die große Gefahr, die nicht nur das gesamte im Deutschen Reich vereinte deutsche Volk klar erkannt hat, auch jenseits der schwarz-weiß-roten Grenzpfähle wissen die Deutschen in der Schweiz, in Österreich und in allen anderen Ländern, wo sich deutsche Kultur in nationalen Enklaven erhalten hat, daß der Kampf, den wir jetzt auszufechten haben, sich auch gegen sie richtet, und daß mit dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches auch die Deutschen in der Schweiz und in Österreich-Ungarn dem allgemeinen Vernichtungskampf gegen die deutsche Kultur zum Opfer falle würden.

Aber auch über das eigentliche deutsche Volk hinaus stehen die Sympathien germanischen Volkstums auf deutscher Seite. Schweden und Norwegen haben erkannt, daß sie nach dem Sturze des Deutschen Reichs die ersten Opfer des russischen Molochs sein würden, und deshalb begleitet uns ihre Sympathie bei dem gewaltigen Kampfe um unsere und um ihre Existenz. Bedauerlich ist es, daß in diesem Kampfe des Deutschtums und Germanentums ein germanisches Volk, die Angelsachen, sich unseren Gegnern angeschlossen hat und dadurch seinen schärfsten Konkurrenten, das Russentum, zu fördern sich bemüht, dasselbe Russentum, das überall bei seinem ungestümen Vordrängen auf die Grenzen des britischen Weltreiches stößt und über kurz oder lang zum Entscheidungskampf auch mit England das Schwert ergreifen wird, falls ihm dieses nicht in dem jetzigen Krieg von Deutschland zerbrochen vor die Füße geschleudert wird. Und so tritt der merkwürdige Fall ein, daß wir im Kampfe gegen England eigentlich dessen Sache gegen Russland führen, das auf alle Fälle durch den gegenwärtigen Krieg so geschwächt wird, daß es sobald den Angriff auf England nicht wird wagen können. So wird das „perfide Albion“ auch in diesem Falle wenigstens einen Nutzen aus dem Kriege ziehen und zwar durch den Feind, den es jetzt zu vernichten bestrebt ist. Sollten wir aber siegreich aus dem Kampfe hervorgehen, so werden wir nicht ermangeln, uns von unseren englischen Vettern den Landsknechtssold auszahlen zu lassen, den wir in diesem Kampf gegen das Slawentum ehrlich und redlich verdient haben. Aber wir werden mit dem Gute, falls es uns anvertraut werden sollte, im Interesse der germanischen Kultur besser wuchern als England es in seiner Verblendung getan hat.“

 

Mainzer Anzeiger, 31.12.1918, 2. Blatt

 

Zwischen den Jahren.

 

Der Eintritt ins neue Jahr bewegt uns heute mehr denn je. Mit langen Blicken schauen wir auf die verflossenen vier Jahre zurück, die uns so lange eine Hoffnung waren. Nunmehr ist durch des Schicksals Walten ihnen ein anderes Zeichen aufgedrückt worden. Die Gedanken, die heute zurückeilen in die Zeit der schweren Kämpfe dieser Jahre, Kämpfe von Hunderttausenden da draußen, nicht minder Kämpfe von der heimischen Bevölkerung im Ringen und im Beschaffen um das ausreichende tägliche Brot sind ernster Art. Die Frucht einer heutigen Überlegung wird sein, daß wir im alten Jahr einer Summe von Irrtümern zum Opfer gefallen sind, und des Volkes Schuld kann man nur darin suchen, daß es das, was ihm mit einseitigem Zweckhintergrund gesagt wurde, gläubig hingenommen hat, zu lange, um zuletzt noch durch die Selbstbesinnung viel zu retten.

An diesem Merkstein des harten Weges, den das deutsche Volk vom alten ins neue Jahr zu gehen hat, gilt es anzumerken und umzukehren und in die neue Richtung einzulenken. Nicht die Irrpfade, die unverantwortliche Köpfe, bar jeden Restes von Vernunft, zügellos und skrupellos, einschlagen, die jetzt nach der letzten Entwicklung der Dinge vermeidbar geworden scheinen, sondern einer anderen Richtung zustreben, deren Ziel in einem bewußten und zielstrebigen Handeln beruht. In dem Hinarbeiten auf eine angespannte Tätigkeit, gepaart mit einem ausgeprägten Drang zur Sparsamkeit, zum nimmermüden Fleiß, durchtränkt mit einem unbeugbaren Pflichtgefühl und Gemeinschaftsbewußtsein. Das neue Jahr steht im Zeichen des Kampfes wie es beim alten der Fall war, nur wird der Kampf einen anderen Hintergrund haben müssen. Es heißt, mit dem neuen Jahr alle Kräfte anspannen, um der wirtschaftlichen Schwierigkeiten nach Möglichkeit Herr zu werden, um der Armut zu steuern, in der wir zu versinken drohen. Hier liegt, wenn das gesamte Volk sich nicht auf sich selber besinnt, eine nicht zu unterschätzende Gefahr, die wir bannen müssen, sollen wir nicht einer grenzenlosen Depression und verzweifelten Stimmung entgegengehen. Ein jeder muß sich darüber klar werden, daß nicht die schönsten Worte über Sozialisierung uns helfen können, sondern daß wir arbeiten müssen, daß jeder mithelfe, wo es das Wohl des Volkes mehr denn je gilt.

Hier liegt der Grund, auf dem wir das neue Jahr berankern sollen. Mit vollen Kräften voraus, nur dann und wann den Blick zurück, um nicht in alte Fehler zurückzufallen und um sich zu vergewissern, daß der neue Kurs auch eingehalten wird.“