Wie finde ich meine Leser?
Die Autorin Silvia Nagels hat eine Autorenstaffel ins Leben gerufen und mich gefragt, wie ich meine Leser finde! Ich glaube inzwischen, das war eine Falle, trotzdem werde ich antworten.
Leser! Wo sind sie, wie finde ich diese Menschen? Meine Finger kratzen unruhig über das Holz des Fensterrahmens. Weshalb fragt sie das? Ich spüre die Falle förmlich. Aber ich werde antworten, da mir sonst Silvias Dämon Nekke im Nacken sitzt.
Frierend stehe ich vor dem grossen Schaufenster und ziehe den Mantel enger um meine Schultern. Das Glas glitzert, die Bücher dahinter leuchten wie Sterne in der Nacht. Schneeflocken tanzen, es wird kalt.
Ich raffe mich auf, trete in das Geschäft. Der Geruch von gedrucktem Papier steigt mir in die Nase. Mein Blick irrt im Raum umher. Da sind sie! Büchernarren! Umherpirschend grapschen sie mit ihren Händen durch die Buchstabenträume.
Lautlos schleiche ich hinterher, beobachte genau, welches Buch sie aussuchen. Nein, flüstere ich, wenn sie das Falsche nehmen, denn es verströmt ein Aroma des Irrtums. Sie müffeln dann so ekelhaft.
Um einen besseren Überblick zu bekommen, setze ich mich in die Ecke auf das dunkle Ledersofa. Daneben steht eine Kaffeemaschine. Der herbe Duft des Leders, vermischt mit dem des Kaffees ist herrlich. Zur Tarnung lege ich mir einen dicken Schmöker auf die Knie und tue so, als ob ich hineinsehen würde. Dabei drücke ich meinen breitrandigen Hut tief ins Gesicht, um unerkannt schnüffeln zu können. Leser riechen Autoren, das ist gefährlich. Das verscheucht sie. Ein Umstand, der verhindert werden muss.
Plötzlich schrecke ich hoch! Da ist eine Frau, behaftet mit Bibliophilie, der unauslöschbaren Krankheit dieser Spezies. Mir rutscht der Band vom Schoss, ich erhebe mich, gleite an ihre Seite, unbemerkt, ein Geist im Wirrwarr der Buchstaben. Mit bebenden Nasenflügeln sauge ich gierig den Geschmack der Dame ein. Sie ist es! Die Lady riecht nach schwarzem Humor. Exakt so wie ich es liebe. Ich habe sie gefunden, meine Wunschleserin. Sie wird mir nicht entkommen.
Doch dann passiert es! Schockiert mustere ich ihre Auswahl. Sie hat ein anderes Buch genommen!
Angewidert stürme ich aus dem Laden, renne eilig davon. Schwer atmend stehe ich endlich in meiner Küche und öffne die geheime Tür hinter der Vorratskammer. Dutzende Augen starren mir entgegen, eingefroren in der grossen Tiefkühlkammer. Erleichterung überflutet mich. Sie sind noch da, meine Leser und sie bleiben mir garantiert erhalten. Für ihre Treue habe ich eiskalt gesorgt. Nur, wo finde ich die nächsten passenden Leser? Es ist die ewige Frage aller Autoren.
Wenn Sie sich für die gesamte Autorenstaffel interessieren, dann werden Sie auf der Homepage von Silvia Nagels fündig: