Ich schenke meiner Oma eine Geschichte, Teil2


Ich schenke meiner Oma eine Geschichte, Teil 2

Hält sie innig fest. Nimmt einen Schluck von der sanften Betäubung. Lässt es im Mund zergehen wie warmen Honig. Nimmt noch einen Schluck. Dann hastig einige weitere. Ich merke, ihre Schmerzen vergehen. Sie greift nach dem Tabak und dem Päckchen Hasch. Dreht sich einen Joint. Zündet ihn an. Zieht daran. Hält inne. Schließt ihre Augen und atmet langsam den Rauch aus. „Lalala, hahaha, lalala“, höre ich sie singen und lachen. Ihr geht es gut. „Das Zeug ist einfach spitze. Unbeschreiblich. „Beng, und mir geht’s gut“, sagt sie. Ja, ja! Sie hat Recht. Ich spüre, wie es den Körper betäubt. Der Kopf dreht sich. Spüre nichts mehr.

Sie steht auf und tanzt. Tanzt im Kreis, mit der durchsichtigen Flasche in der Hand. Sie plubbert, plubb, plubb, weil sie sich so heftig im Kreis dreht. „Haha, hahahaha“, höre ich sie lachen. Mir wird schwindelig, es ist zu viel! Alles dreht sich. Wie im Karussell. Sie kann nicht mehr aufhören. Ihr wird schlecht. Schreit um Hilfe. Stolpert, fliegt hin, schlägt sich den Kopf an der Tischkante auf. Die Stühle fallen hin.

Er kommt. „Sag mal, hast Du etwa meinen letzten Joint geraucht? Schlampe! Gib mal her! Lass mich wenigstens daran ziehen, bevor er ausgeht!“

Mir ist schlecht, will raus. Habe Angst vor ihm. Er schlägt mich immer. Bin ruhig. Mucksmäuschen still. Bewege mich nicht, atme nicht.

„Sag mal, was ist denn da unten, wird alles braun-rot, Schlampe?“. Er stupst sie an. Dann tritt er sie mit dem Fuß. „Was ist los? He! Sag mal, pennst Du, oder was?“

Er bückt sich runter. Habe Angst. Denke, gleich fängt er an, alle zu prügeln. „Scheiße man! Du blutest! Hast dich verletzt, oder was?“

Er zieht sie an den Beinen entlang des Korridors in das Bad. Hinter ihr eine Spur aus Blut.

„Lebst du?“ „Scheiße man, lass mich, Fixer!“ „Leck mich, Schlampe! Was hast’n gemacht?“ „Was? Was hab ich gemacht? Nichts hab ich gemacht! Bring mich ins Krankenhaus, Arschloch!“

Ich bin Zeuge, wie er sie ins städtische Krankenhaus bringt. Die Fahrt dauert nicht lange. Etwa zwanzig Minuten mit dem Bus. Doch für sie ist es die Hölle. Schmerzen und Krämpfe quälen sie die ganze Zeit. Der Bus ist leer. Er spielt am Handy und beachtet sie überhaupt nicht. Der Busfahrer hat Angst, so wie ich. Er holt sich die Genehmigung und lässt uns am Krankenhaus raus. Ich war immer noch betäubt von dem dröhnenden Zeug. Sie fällt zusammen, kurz vor dem Eingang des Krankenhauses. Menschen in weißen Anoraks kommen gelaufen. Und dann ist alles vorbei. Ich bin da! Ein Frühchen. Kaum sieben Monate alt. Und dann sind wir getrennt. Ich im Brutkasten. Im warmen kuscheligen Kasten, der mir Liebe, Geborgenheit und Wärme für zehn Wochen gibt. Eine sehr schöne, wenn nicht sogar die schönste Zeit.

Ich sehe sie eine lange Zeit nicht. Und wenn sie kommt, steht sie nur an der Seite und schaut auf mich. Einmal lächelt sie mich an. Ich spiele mit der Socke und schlucke. Dann holt sie mich mit. Es fühlt sich gut an. Seite an Seite mit ihr in einem Bett. Ich zuckele am Daumen und schmatze laut, während sie ihren Rausch ausschläft. Es vergehen Stunden, doch sie schläft. Schläft ununterbrochen. Mein Popo brennt. Windel kleben schon seit Stunden an den Pobacken. Er kommt rein. Ich bin ruhig. Habe Angst. Die Nacht vergeht. Bauch tut weh. Ich stinke. Muss schon zwei Mal groß auf die Toilette. Alles brennt. Bin ruhig. Habe Angst. Er schleicht sich von Zimmer zu Zimmer. Endlich ist Bewegung neben mir! Ich bewege mich. Strample mit den Beinen und Füßen. Freue mich. Doch sie steht auf und geht raus, ohne auf mich zu schauen. Es vergehen Stunden und sie kommt nicht. Höre sie da drüben reden. Habe Schmerzen. Furchtbare Schmerzen. Alles brennt. Kanns nicht mehr aushalten. Es wird wieder dunkel. Schreie, schreie erbärmlich. Sie kommt erschrocken um die Ecke und schaut mich an. Er kommt auch.

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