aus:
Thomas Berger, Im Schatten unserer Tage. Betrachtungen
Nordstrand 2023, S. 85/86
Die Geschichte eines jungen Mönches aus dem Siebengebirge: Er grübelt über die biblische Aussage, vor Gott seien tausend Jahre wie ein Tag (2. Petrusbrief 3,8), fühlt sich dabei vom Gesang eines Vogels angezogen, folgt ihm in den Wald jenseits der Klostermauer, muss bei der Rückkehr feststellen, dass inzwischen dreihundert Jahre verstrichen sind, denkt an die neutestamentliche Textstelle und stirbt. Das Spiel der Phantasie mit Zeit und Ewigkeit wurde mehrfach bearbeitet, so als Sagenerzählung von Ludwig Bechstein (Der Mönch und das Vögelein) und Wilhelm Schäfer (Der Mönch von Heisterbach), in Balladenform von Wolfgang Müller von Königswinter (Der Mönch von Heisterbach). Noch heute lässt sich die hölzerne Tür in der Mauer der Ruine der ehemaligen Zisterzienser-Abtei betrachten, durch die der mittelalterlichen Legende nach der Mönch dem Vogel gefolgt ist. Auf ihrem Sturz sind die Worte eingraviert: „Gott ist erhaben über Zeit und Raum. / Ich weiß: Ihm ist ein Tag wie tausend Jahr. / Und tausend Jahre sind ihm wie ein Tag.“