Jakobsmuscheln weisen den Weg


19. April 2011. Um 14.30 Uhr treffe ich in Jaca ein. Jawohl, diese Stadt hat sofort meine Zustimmung. Hier ist Leben. Als Hauptstadt des Gebietes Jacetania, am Fluss Aragon gelegen, hat sie sich zu einem beliebten Urlaubsziel in Nordspanien entwickelt. Die Touristen werden zunehmend von der natürlichen Umgebung, der Architektur und der Geschichte angezogen.

 

Jaca_Zitadelle

Das Stadtzentrum

Mir gefällt sofort das schöne Stadtzentrum. Ich suche zuerst die Kathedrale auf. Sie ist vollkommen in die umliegenden Straßen eingebunden, sodass ich sie tatsächlich suchen muss. Dann stehe ich vor dem Hauptportal. – Im 11. Jahrhundert erbaut, ist die romanische Kathedrale von Jaca Vorbild vieler Kirchen am Jakobsweg.

Durch Umbauten ist der ursprüngliche Stil nur noch an Außenmauern und zwei Portalen zu erkennen. Bedeutend ist das Chrismón im Tympanon des Hauptportales, eines der ersten ihrer Art auf dem Jakobsweg. Die Kathedrale kann  mich nicht sonderlich erbauen, ist mir zu düster. Einzig die ausdrucks-starken Kapitelle in den Außenbereichen finde ich beachtenswert. Sicher tue ich den Erbauern bitteres Unrecht mit meinen Feststellungen, bzw. meiner Falscheinstellung. Schade, dass es nicht die Möglichkeit einer Führung gibt. Sicherlich würde ich meine Meinung nach fachkundigen Erläuterungen ändern. Denn die Kathedrale wird in meinem Reiseführer ja ausdrücklich als Besonderheit angepriesen.

 

Jakobsmuscheln weisen den Weg

Jakobsmuscheln aus Kupfer, die in den Boden eingelassen sind, weisen mir den Weg. Bereits um 15.00 Uhr stehe ich vor der Pilgerherberge, bzw. in deren Atrium, im Innenbereich. Verschlossen. Erst um 17.00 Uhr wird für die Pilger geöffnet werden. Was mache ich mit der Zeit bis dahin? – Es erscheint eine temperamentvolle, rothaarige Pilgerin, die sich sichtlich freut mich hier anzutreffen.

Ich erkläre der Ankommenden, dass die Herberge erst später öffnet. Auf  Englisch will  mir Helen, so hat sich die Pilgerin vorgestellt, jetzt  einiges mit-teilen. „Gemach, gemach – nicht jeder Pilger auf dem Jakobsweg kann fließend in Deiner Sprache parlieren“ –  hätte ich ihr gerne lachend  zugerufen. Ich lasse sie jedoch zunächst gewähren, erkläre ihr dann, dass ich der englischen Sprache nur bedingt mächtig bin. Dennoch verständigen wir uns darauf die Rucksäcke hier abzustellen und uns erst einmal näher in der Stadt umzusehen. – Na dann bis später!

Ich schlendere durch die Calle Major (Hauptstraße) in deren Nähe das Refugium liegt. Bewundere die Auslagen in den Konditoreien. Kann den Angeboten natürlich nicht widerstehen, komme am Rathaus vorbei und stehe dann vor einem riesigen Fort, bzw. der Zitadelle von Jaca.

 

Was soll so eine riesige Anlage in dieser kleinen Stadt, frage ich mich? Der eigentliche Zweck der Befestigungsanlage war der Schutz der Grenze vor den Angriffen französischer Truppen (Bauauftrag 1595). 1914 wurden die mittelalterlichen Stadtmauern abgerissen und die Erweiterung der Stadt umgesetzt. Jetzt stellt die Zitadelle lediglich ein Relikt der Geschichte von Jaca und eine Touristenattraktion dar. Für eine Besichtigung nehme ich mir dennoch nicht die Zeit. Mein Weg führt mich noch einmal ins Zentrum von Jaca.

Hier findet gerade ein großer Auflauf von Polizisten/Soldaten statt. Schwerst-bewaffnete Männer. Sehr beeindruckend, oder gar einschüchternd? Gottseidank dient der Auflauf doch wohl ausschließlich friedlichen, bzw. demonstrativen Zwecken. Aus welchem Grund die Männer sich hier versammelt haben, kann ich nicht feststellen. Einige Jungs haben allerdings großes Interesse an den Waffen die getragen werden. Geduldig werden diese erklärt. – Ist nicht mein Ding diese Demonstration.

 

Kindheitserinnerungen

Es gibt so viel zu sehen in dieser lebendigen Stadt. Die Menschen genießen das schöne Wetter. Männer stehen debattierend an einer Straßenecke. Frauen plauschen vor einem Supermarkt, die Einkaufstaschen am Arm. Kinder spielen. Alte  Männer sitzen stumm auf Bänken die unter schattigen Bäumen aufgestellt sind. Ich fühle mich weit zurück in meine Kindheit versetzt.

So war es früher in meinem Heimatort auch. Man traf sich außerhalb. In der Straße, in der ich wohnte, gab es folgende Ladenbetriebe: Lebens-mittelgeschäft, Fischgeschäft, eine Manglerei, ein Haushalts-Warengeschäft, eine Bücherei, ein Tante-Emma-Laden, Friseur. Bäcker, Konditorei, und eine Großwirtschaft mit Saalbau.

Auf der Straße war immer Betrieb und wir Kinder konnten unbeschwert all die Kinderspiele spielen die bekannt waren. Im Sommer genügte ein Stück Kreide, um Spielfelder auf die Straße zu malen, für diverse Hüpf- oder auch Murmelspiele. Ich setze mich auf eine Bank, schaue dem Treiben zu. Vermische die aktuellen Bilder, mit denen aus meiner Kinderzeit.

Es ist ein friedliches Bild, das sich mir hier bietet. Irgendwie tut das alles gut! Die dunklen Bilder, die ich mit meiner Kindheit verbinde, schiebe ich heute ganz bewusst zurück. Mir ist beim Anblick der aktuellen Bilder die ich sehe, ausschließlich nostalgisch zu Mute.

 

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