Von der Metapher


Von der Metapher

18.04.2017

 

Eine Metapher verweist Sinn-bildlich auf ein Sein, das sie stofflich nicht ist. Ein Beispiel: Eine „Tür“, ein „Fenster“ oder ein „Licht“ haben als Metapher im Bereich der geistigen Wirklichkeiten (Verstand, Vernunft, „Geist“, im vorstellenden Denken, etc.) eine qualitativ andere Bedeutung, als der Begriff bzgl. der stofflichen Welt. Während der Begriff möglichst präzise die durch ihn beschriebene Sache erfassen soll (vgl. den Wahrheits-Begriff bei Aristoteles als „adaequatio intellectus et rei“,), verweist eine Metapher über sich selbst hinaus auf einen geistigen, spirituellen Sinn, der dem stofflich entlehnten „Bild“ nicht innewohnt. Die Metapher hebt das Stoffliche auf eine geistige Ebene und benutzt es dort als Hinweis auf eine Wirklichkeit, die das bloße Bild transzendiert. Das heißt: Während eine stofflich-materielle Tür oder ein Fenster, ein beweglicher Verschluss für eine Mauerlücke oder Maueröffnung darstellt, deutet die metaphorische „Tür“ bzw. das „Fenster“ einen geistigen Durch-Gang (Denken) oder spirituellen Durch-Bruch (Schau) eines Wirklichkeits-„Horizontes“ an. Der Träger der Metapher(-Tür) durchschreitet in einer geistigen bzw. spirituellen Bewegung einen Wirklichkeits-Horizont — vom Rationalen, worin eine Tür als dreidimensionales Seiendes mit diesen Formen, Farben, Materialien, etc.pp. als „res“, als „Sache“, definiert ist, hin zu einem wesentlichen Sein, das Wirklichkeits-Merkmale trägt — während sein Körper in einer ruhenden Meditations-Haltung verweilt. Er sitzt, kniet, seltener liegt. So geschieht es z.B. in der Meditations-Praxis der westlichen, orthodoxen Mystik des (Herzens-)Gebetes, dem sog. „immerwährenden Gebet“ — der Anrufung des Namens „Jesu Christi“; während des Rezitierens „verlöschen“ im Rhythmus der wiederkehrenden Wiederholung Buchstaben und Namen und geben, falls möglich, dem Rezitierenden den spirituellen „Ausblick“ frei auf das Wesen, die eigentliche Wirklichkeit, Jesu Christi. So geschieht der Aufstieg des achtstufigen Yoga-Weges, wenn z.B. während der Meditation Mantren oder heilige Laute (om-Laut) rezitiert werden. So vollzieht sich Zen. Stets kommt der Fragende, der Suchende, der Übende als alltäglicher Mensch daher. Mit all seinen materiellen Verhaftungen seiner Gedanken und Überzeugungen, mit all seinem „Ich“-Verständnis, mit all seiner Selbst-Verständlichkeit. Solange, bis er den Grenz-Bereich der Metapher berührt. Vermag er ihren Sinn zu erfassen, beginnt sein individueller „Weg nach Innen“ (vgl. u.a. Swami Vivekananda). Er löst sich nach und nach vom Materiellen des bloß Stofflichen ab und beginnt in einer geistig-spirituellen Wirklichkeit von „Horizont“ zu „Horizont“ voran-zu-schreiten, solange, bis er alle Bilder, Formen und Gestalten (des Materiellen) sowie alle Begriffe und Gehalte (des Denkens) trans-scendiert hat.

Alles beginnt jedoch mit der Unterscheidung von Außen — als die Realität, die mich umgibt — und Innen — als jene Wirklichkeit, die ich sowohl bis dato geworden bin und gerade jetzt, in diesem Moment einer Situation bin, als auch jene Wirklichkeit, die ich zukünftig noch zu werden vermag. Ist der „Innere Weg“ erst einmal beschritten, und wird er konsequent vorangeschritten, so führt er über alle Erscheinungs-Formen des „Ichs“ zum Selbst, um sich sodann in einer anderen Wirklichkeit zu „verlieren“. Die Religionen nennen diese andere Wirklichkeit, die nicht „Welt“ ist, die ich nicht bin und die mein „Ich“ nicht ist: Gott. Das Zen nennt diese Wirklichkeit „Es“ (vgl. u.a. Willigis Jägers Metapher von „Welle“ und „Ozean“). Die (platonische) Philosophie nennt diese qualitativ andere Wirklichkeit „Wahrsein an sich“. Denn nicht nur im spirituellen Bereich unseres Mensch-Seins vollzieht sich Tranzendieren (als die Annäherung auf Gott hin), sondern auch im existentiellen Bereich unserer Mensch-Werdung. So etwa wenn sich der menschliche Geist während der „Schau der Ideen“ (visio) von den Erscheinungs-Formen der Abbilder los-löst und das „Gute“, „Wahre“, „Schöne“ als eine ideelle Werte-Ordnung zu erkennen vermag. Platons „Aufstieg zu den Ideen“ (vgl. Symposion, Diotima-Dialog, 210A – 212A) ist insofern zeitlos, „modern“, da jeder Mensch aufs Neue vor die Aufgabe gestellt wird, zu entscheiden, nach welchem éthos er das eigene Leben ausrichten möchte und aktiv zu gestalten vermag: nach rein materiellen Werten wie „Besitztümern“, deren Erlangung Glück zu verheißen scheint. Folge: Mit Erlangung des gewünschten Besitzes entfällt auch das Streben danach, entfällt der Sinn; mit Erlangung des Karriere-Endes fällt zugleich auch der Lebens-Sinn. Oder ob er sich einen ideellen Werte-Kanon zu geben vermag, der ihm ein lebenslanges Hinanstreben ermöglicht. Folge: ein bewusstes Wachstum der Persönlichkeit, ein lebenslanges Reifer-Werden, ein lebenslanges Transzendieren des eigenen „Ichs“, seiner selbst, seines Selbst — hin-aus-schreiten zu ständig weiter werdenden Wirklichkeits-Horizonten. Mitten in der Welt ruhend und diese dennoch in Richtung Numinosem, in Richtung auf Transzendenz, stets auch überschreitend.

 

Da es unsere jeweiligen Geistes-Haltungen sind, die unser Ich-Bewusstsein maßgebend beeinflussen und somit unsere menschliche Entwicklung beeinflussen — sei es unser Voranschreiten und Reifer-Werden, sei es unsere Stagnation oder gar Regression in alte Verhaltens-Muster — sollen diese in einem nachfolgenden Beitrag näher betrachtet werden.

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