Notiz aus der Kindheit
Die Märchen-Stiefmutter störte vor allem eins an mir: dass ich auf der Welt war. Sie hatte es schon so weit gebracht, dass ich, abgesehen von den Ferien und den vierzehntägigen Heimfahrwochenenden, die meiste Zeit des Jahres im Internat lebte, was mir, unter den obwaltenden häuslichen Umständen, höchst angenehm war. Als im Internat das Geld knapp wurde, verfiel man auf die Idee, die Schüler nicht mehr wie bisher nur an zwei Wochenenden im Monat nach Hause fahren zu lassen, sondern an drei. Die Märchen-Stiefmutter ärgerte dies, weil sie mich nun ein Wochenende im Monat mehr zu Gesicht bekam. „Der ist jetzt wieder jede Woche da!“, beschwerte sie sich über meinen Kopf hinweg bei einer Bekannten. Was sollte ich nun tun an den drei vermaledeiten Wochenenden im Monat? Im Internat wollten sie mit meiner Abwesenheit Geld einsparen, in meinem Elternhaus (wo es noch meinen leiblichen Vater gab, der mich aber stets nur mit hilf- bis teilnahmsloser Miene betrachtete), hätte ich ebenfalls nur durch Abwesenheit Gefallen finden können. Es war gar nicht so leicht für mich als zwölf- oder dreizehnjährigen Jungen. Irgendwo musste ich mich ja zurückziehen, und da ein zwölf- oder dreizehnjähriger Junge nicht hier- oder dorthin gehen kann, um einer Märchen-Stiefmutter und einem leiblichen, aber stets nur hilf- bis teilnahmslos dreinschauendem Vater auszuweichen, blieben nur die Bezirke der Seele, in die sich niemand freiwillig verläuft.