Allegorien — der Tod, Teil I


Allegorien — der Tod, Teil I

11.02.2024

 

Eine schwer zu bestimmende Gestalt glitt lautlos durch das Schlachtengetümmel auf den Betrachter zu. Dieser fühlte sofort ein deutliches Unbehagen, fuhr sich mit einer Hand über die Augen, als ob er eine Fata Morgana gesehen hätte und sich vergewissern wolle, was nun Einbildung und was Realität sei. Mal erschien ihm dieses näherkommende „Etwas“ wie ein Skelett in einer schwarzen, zerfetzten Mönchskutte, die Sense über dem Buckel tragend. Dann changierte das Bild, und es schien eine wundervolle, äußerst verführerisch wirkende Frau lautlos auf ihn zuzugleiten. Versuchte der Betrachter jedoch diese Vision zu berühren, so zerstieb sie in hunderttausend Partikel, um sich danach als fahler Knochenmann in Kutschermantel und roter Hahnenfeder am zerbeulten Hut erneut zu präsentieren. Das, was sich da dem Betrachter näherte, was ihn zu bedrängen und zu bedrohen schien, was ihm den Atem stocken und die Kehle zuschnüren ließ, dieses phantomhafte „Etwas“, war einfach nicht zu fassen: schwebend bald, dann wieder wie ein Nebel wabernd, gleichsam Körper-los; mal einem Menschen nicht unähnlich; ein andermal einem furchterregenden Raubtier gleich; mal Vertrauen erweckend, dann wieder beängstigend, Furcht und Angst einflößend; bisweilen das Herz erwärmend wie ein vollkommener Spätsommertag in mildem Licht über wogenden, goldfarbenen Kornfeldern, dann wieder als eiskalter Hauch, der einem das Mark im Gebein zu Eis gefrieren ließ… Wer oder was zum Teufel war das —: der Tod…—?!

„Nun, Sie haben meinen jüngeren Bruder, den Krieg, vernommen. Womit kann ich ihnen dienen…—?“, fragte der Tod an den Betrachter gewandt.

Dieser, verlegen, mit kaltem Angstschweiß auf der Stirn, „äh… guter Tag für Sie heute, nicht wahr?“

„Ja, das Geschäft läuft mal wieder rund, ich kann nicht klagen“, der Gevatter gab sich jovial.

„Was ich schon immer einmal über Sie wissen wollte…“, der Beobachter stockte, Angst hatte sich seiner bemächtigt, sodass er seinen Gedanken nicht in Worte zu fassen vermochte…

„Nur immer zu! Fragen Sie, was Sie auf dem Herzen drückt! Wenn Sie erst einmal tot sind, hat ihr Fragen ein Ende…“, mit einer gönnerhaften Geste lud der Tod ihn zur Konversation ein.

„Also…, Sie sehen heute irgendwie so verändert aus… Wie kommt das…?“

„Sie meinen“, dabei lehnte sich der Tod lächelnd vor und wandte sich dem Beobachter etwas näher zu. „Sie meinen, ich gleiche heute so gar nicht Ihren Vorstellungen  vom Sensenmann, dem Todes-Engel, dem Bruder Hein, oder wie mich die Menschen zu allen Zeiten nannten…?“

„Ja genau, Sie sehen heute so… sympatisch aus…“, entfuhr es dem Beobachter.

„Nun, das könnte womöglich daran liegen, dass ich Ihnen gerade meine sympathische Seite zuwende…“, schmunzelte der Tod. „Wissen Sie, ich kann so ziemlich jede Gestalt für Sie  annehmen. Für den einen Menschen bin ich der „Knochenmann“ mit der berühmten Sense auf dem Buckel — ein mittelalterliches Bild, das den „Schnitter“, der die Ernte einfährt, symbolisiert.“ Dabei ließ der Tod geflissentlich seinen schwarzen Ärmel mit der Sense über eine Schar kämpfender Söldner gleiten, die daraufhin sofort leblos zu Boden sanken, niedergemäht wie reifes, mit der Sense geschnittenes Korn.

„Für den anderen Menschen bin ich der ‚bleiche Totenschädel‘ mit den leeren Augenhöhlen — sicherlich kennen Sie die berühmten Gemälde, die den Hl. Hieronymus, den Kirchenvater und Eremiten, mit diesem Requisit der Vergänglichkeit bei seiner Arbeit an der „Vulgata“, zeigt…? Ach ja, des Menschen Bemühen der eignen Vergänglichkeit zu entrinnen“, sinnierte der Tod. „Vanitas! Vanitatum Vanitas! Ein Sisyphos, der Sinnvolles dabei denkt…“, setzte der Tod mit ironischem Unterton hinzu, wobei er ganz nach Art der Menschen, die Fingernägel seiner linken Hand zu betrachten schien, um dem Gesagten noch größeren Nachdruck zu verleihen.

„Hm, wie war gleich noch der Name des Heiligen…?“, stammelte der Gesprächsteilnehmer, dem das profunde Wissen seines Gegenübers sichtliches Unbehagen bereitete. Er kam sich wie ein dummer Schüler während einer mündlichen Prüfung vor; wieso wusste dieser Andere so viel, er jedoch so wenig…?!

„Ach übrigens“, hob der Tod von Neuem an, den Gesprächsfaden wieder aufnehmend, „sagt Ihnen die Notizensammlung des Stoikers und römischen Kaisers Mark Aurel rein zufällig irgendetwas? Meist wird sie unter dem Titel „Zu Dir selbst“ oder auch als „Selbstbetrachtungen“ gehandelt. Marcus Aurelius Antoninus Augustus, wie er sich selbst nannte, regierte von 161-180 n.Chr. das Imperium Romanum; zudem war er Pontifex maximus. So weise er als Philosoph und Stoiker war, so umsichtig, klug und bescheiden regierte er als Kaiser ein Weltreich. Mit ihm endete die Ära des „Goldenen, römischen Zeitalters“ und eine lange Phase des politischen Niedergangs und der Instabilität begann. Er hat den Gedanken der „vanitas!“ im Zusammenhang mit dem Tod sehr präzise in seinen Notizen beschrieben, sowohl politisch als auch rein menschlich, ohne irgendeine verbrämende Illusion — und, so lautet zumindest die offizielle Geschichtsschreibung, er starb, wie es sich für einen Philosophen, zumal einen Stoiker, geziemt: frei von Furcht und Angst, als sein „Augenblick der Wahrheit“ gekommen war. Angeblich schied er von seinen Freunden mit den Worten: ‚Was weint ihr um mich? Weint um die Pest und das Sterbenmüssen aller!‘ Ach ja, die Pest, meine berühmt-berüchtigte Schwester der Seuchen, die den Bettler in der Gosse wie den Edelmann in seinem Palast gleichermaßen dahinrafft… Daher auch ihr Beiname „der Schwarze Tod“. Aber lassen wir einmal Legende und offizielle Geschichtsschreibung um Mark Aurel dahingestellt. Allein, es genügte ein sachter Wink von mir, und der Kaiser folgte mir ohne zu zögern aus seinem Leben…Wahrlich, nur wenige Menschen vor und nach ihm folgten mir so bereitwillig in die andere Wirklichkeit; Sokrates vielleicht ausgenommen.“

„Aber sind denn das nicht alles ‚olle Kamelle‘ und Spukgeschichten für kleine Kinder?“, wandte sein junger Zuhörer überheblich ein. „Das alles ist ja schon fast 2.000 Jahre her! Und bedenken Sie doch nur unsere heutigen, technischen Möglichkeiten, unseren Fortschritt, den wir als Menschheit inzwischen genommen haben!“

„Sie meinen also,“ fuhr der Tod selbstsicher und unbeirrt fort, „Sie meinen also allen Ernstes, dass Ihre Technik  als Fortschritt dem Menschen einen gangbaren Ausweg aus seinem Sterben, aus seiner Todes-Angst, aus seinem je eigenen Tod, zu bahnen vermag…—? Etwa als industrialisierte Kryonik, bei der sich Menschen in flüssigem Stickstoff bei -196°C einfrieren und gleichsam hochmodern einbalsamieren lassen, in der naiven Hoffnung, dass eine zukünftige Technik  einen Ausweg aus ihrem Leiden, ihren Krankheiten, ihrem Tod weisen könnte, ja dass sie dauerhaft vor meinem Zugriff gerettet werden könnten…? Moderner Wissenschafts-Aberglaube! Auch Chephren und Ramses II., die als Pharao mit dem Beinamen „Sohn des Re“ verehrt wurden, sind nicht von den Toten auferstanden… Und selbst im Totenreich der Alten Ägypter sind ihre Namen schon lange vergessen, ihre sonnengleich „leuchtende Gestalt“ verweht…—“

„Fortschritt…“, murmelte der Tod zu sich selbst, „wenn ich das  schon höre!“ Und an seinen Zuhörer gewandt: „Na Sportsfreund, dann denken Sie gelegentlich einmal über den lateinischen Spruch „memento mori!“ nach, den man häufig im Tympanon prunkvoller antiker, römischer Mausoleen oder aber auf prächtigen Fürsten-Sarkopharken der Renaissance zu lesen findet. Was mag er wohl meinen, was besagen, was euch Menschen verkünden…—?“ Und noch während der Tod dies sagte, wechselte er spielerisch erneut sein Aussehen und stellte nun als Mors , als der personifizierte Tod der alten Römer, seine Frage.

„Momento was…??“, antwortete der Zuhörer, während er sichtlich blass um die Nase wurde, da er sich, man weiß nicht wie noch warum, urplötzlich äußerst unwohl, ja beinahe sterbenselend fühlte.

„Memento mori!“, erwiderte der Tod in heiterer Gelassenheit, „na, macht nichts, an diesen Lebens-Punkt kommen wir beide dann etwas später zurück. Später… Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, meine Gestalten, die mir die Menschen im Laufe ihrer Kultur-Geschichte zu geben pflegten. Manche Menschen sehen mich als Adonis à la Brad Pitt — aber den Film „Rendezvous mit Joe Black“, den kennen Sie doch hoffentlich…?! Dort spielt das Sexsymbol der 2000er Jahre mein „alter ego“. Nicht unkomisch die ganze Szenerie…, ein typisch amerikanischer Hollywood-Klamauk eben.“

Als der Beobachter erneut verneinend den Kopf schüttelt, wird der Sensenmann nun doch etwas  unwirsch.

„Was, zum Teufel, kennen Sie denn überhaupt von mir?!“, polterte er.

„Äh…, nichts!“, gab der Beobachter mit entwaffnender Freimütigkeit und wahrheitsgemäß zu verstehen.

Der Tod seufzte. Mit diesem Menschling war wirklich kein Staat zu machen, geschweige denn irgendein vernünftiges Gespräch zu führen. Wie konnte ein Mensch, der so borniert und erschreckend ungebildet war, auch nur einen einzigen Tag überleben…? Der Tod musste ihn wohl in seiner Banalität schlicht und ergreifend übersehen haben… Und wäre der Tod auch nur ein klein wenig gläubig gewesen, so wäre jetzt der passende Zeitpunkt gekommen, ein flehentliches „Oh mein Gott!“ auszustoßen. Allein, der Tod, der, anders als der Krieg, keine menschliche Wirklichkeit, sondern eine natürliche Realität war, unterließ sein Flehen zu einem von Menschen gemachten „Gottes“-Bild und fasste den Beobachter schärfer ins Auge.

„Also nichts! Hm… Heißt das etwa: gar…nichts…?!“, fragte er gedehnt, als ob er die schmerzliche Antwort seines Gegenübers bereits ahnte. Und tatsächlich: Es trat ein, was der Gevatter Tod befürchtet hatte. Die Antwort des Menschlings war einhundert Prozent „negativ“, „nada“, „niente“, „nothing“, einfach: Gar Nichts! Diese völlig Angst-freie und zugleich unglaublich naive Replik des Beobachters war für den Tod dermaßen niederschmetternd, dass ihn nur noch ein geflügeltes Wort Martin Heideggers — das Nichts nichtet  — kurzfristig erheitern konnte. Gleichwohl rang er, der Fürst der Finsternis, mit den Tränen, lief er doch ernsthaft Gefahr, sowohl seine Façon als auch seine Contenance zu verlieren. Ja, beinahe wären ihm vor lauter Verwunderung das Stundenglas und seine Sense, als seine wohl bekanntesten Insignien der Macht, versehentlich aus den Händen gefallen.

„Da werden wir unsere Lektion wohl ganz weit vorne anfangen müssen“, seufzte der Gevatter leicht indigniert. „Na, die Arbeit hier vor Troja kann ja warten…“

 

Der Tod holte also tief Luft, sammelte seine Gedanken, fragte sich, mit welchem Kapitel seiner Genealogie er dem Menschling wohl am besten seine ganz spezifischen „Risiken und Nebenwirkungen“, einem Beipackzettel nicht unähnlich, nahe bringen könne — eher „Placebo“, „homoiopathische Dosis“, „Over the Counter“ oder doch „rezeptpflichtiges Pharmakon“?? —, rückte etwas affektiert seine Lesebrille zurecht und fing schließlich an, wie ein Lektor früherer Zeiten, zu dozieren…:

„Fangen wir also am sinnvollsten bei den „Bildern“ und „Namen“ an, die mir die Menschen bis dato gegeben haben, und streifen bei dieser Gelegenheit auch den ein oder anderen Todes- bzw. Toten-Kult…“, famulierte der Tod, der seine Arme auf dem Rücken verschränkte und nun begann, gemessenem Schrittes, einem Professor gleich, vor seinem Schüler auf und ab zu gehen.

„In der Urzeit der Menschen“, hob der greise Dozent mit hohl klingender Stimme, wie von weit, weit her an, „lange noch bevor es einen Bestattungs-Kult gab, da war ich bereits ein Teil der Natur. Ich bin der Preis des Lebens dafür, dass alles, was entsteht und wird, folglich der Zeit unterliegt — sei es wie eine Rose aus sich selbst, sei es wie ein Mensch aus einem Anderen — auch ein Ende findet und wieder vergeht. Die Physis oder Flora entspringt aus sich selbst, entwickelt sich in der Zeit, gelangt zur eigenen Reife, hinterlässt Samen, und vergeht zuletzt. Ihr Menschen nennt dieses Dahin-Sterben meist „verwelken“. Anders die Fauna, die tierische Natur: Dort bilden Zeugung und Zellteilung die Ursache für das Entstehen eines Individuums. Seine „Geburt aus einem Anderen“ — sei dies nun wie bei Insekten, Fischen, den Amphibien, Reptilien und Vögeln das Ei , sei es wie bei den Säugetieren der Körper der „Mutter“ —, leitet das Werden in-der-Welt ein. Ob Tier, ob Mensch, sie alle unterliegen als Körper fortan der Zeit. Denn die Körperzellen, das Kleinste des Körpers, unterliegen Veränderungs- und damit Alterungs-Prozessen, d.h. sie verändern sich. Ihr Menschen sagt: sie „altern“. Und weil die Körperzellen sich im Laufe der Zeit verändern und altern, deshalb vergeht auch der Körper als Ganzes. Ihr Menschen sagt, er stirbt… Diese zellularen Alterungs-Prozesse, wie etwa der „aktive, programmierte Zelltod“, laufen bei jedem Lebe-Wesen unterschiedlich „schnell“ oder „langsam“ ab. So sterben manche Tiere und Menschen relativ „früh“ oder „jung“, während andere „steinalt“ werden können. Allen gemeinsam ist jedoch — jedweder Gattung, jeder Art, jedem Individuum —, dass  diese zellularen Alterungs-Prozesse geschehen. Hier seid ihr Menschen noch ganz und gar eingebettet in die Natur… Und weil die Alterung-in-der-Zeit individuell abläuft, die Erneuerung der Zellen nur begrenzt möglich ist, deshalb stirbt auch ein jeder seinen je eigenen Tod — der eine früher, die andere später. Mag das Sterben zwar mit der Geburt und dem ersten Atemzug beginnen, sein biologisches Ende findet alles Lebende, so glaubt ihr Menschen, ganz gewiss nach seinem letzten Atemzug, im Tod. Somit ist der Tod für euch das Ende des biologischen Lebens sowie, symbolisch-poetisch gesagt, „die Schwelle zum Jenseits“. Während der Tod  kulturell meist als ein „Zeitpunkt“ gedacht, mithin medizinisch-juristisch definiert wird, ist das Sterben  sozusagen ein lebenslanger Prozess, eine kontinuierlich voranschreitende Bewegung. So lautet, meines Erachtens, das unveränderbare wie auch unabwendbare „Gesetz des Lebens und des Sterbens“ bei allen Pflanzen, bei allen Tieren, den Menschen, kurzum innerhalb der gesamten belebten Natur , sei sie nun unbewusst oder bewusst. Ich selbst jedoch, der Tod, unterliege diesem Natur-Gesetz nicht, denn ich bin nicht von natürlicher Qualität, da ich weder gezeugt noch, im religiösen Sinn, „geschaffen“ worden bin. Anders als ihr Sterblichen, bin ich nicht von natürlich-kreatürlicher Qualität. Deshalb unterliege ich auch nicht dem Wandel, der Zeit. Vielmehr bin ich ein Faktum der Wirklichkeit: In allem Seienden verschwiegen anwesend, bin ich doch nichts von alledem…“, meinte der Tod, seinen Gedanken einen Augenblick lang nachhängend, um anschließend mit seinen Erklärungen fortzufahren.

„Wenn man so will, können wir auch bei der unbelebten Natur  der Mineralien und Steine, ja selbst bei Sternen und Galaxien, von einem Entstehen, Werden und Vergehen sprechen. Jedoch in einem anderen Sinn. Sofern auch für den menschlichen Beobachter die Prozesse ähnlich zu sein scheinen — ob nun Gebirge aufgrund von tektonischen Kräften aus den Rändern der Kontinentalplatten gepresst oder ob neue Inseln aus flüssigem Magma „geboren“ werden, um sodann von der Erosion zu Sand und Staub zermahlen zu werden; ob Sterne aufgrund von Kernfusion entstehen oder aber ausbrennend kollabieren, ob Atome chemische oder physikalische Verbindungen eingehen, indem sie Energie aufnehmen oder aber vergehen, da sie Energie abgeben — so unterliegt dieser Wandel-in-der-Zeit, doch anderen Ursachen, da sie nicht auf Zeugung beruhen. Mir zumindest scheinen andere chemische bzw. physikalische Prozesse in diesen Bereichen die Wirkursache sowohl für die Entstehung als auch für die Veränderung zu sein. Daher würde ich, der Tod, die sichtbaren Veränderungen, dieses Anders-Werden, bei Mineralien, Steinen, Plasmakörpern, etc.pp., persönlich auch nicht als „Sterben“ noch als „Tod“ bezeichnen, wie das umgangssprachlich, aber auch im Fachjargon bisweilen gehandhabt wird. Denke etwa an astronomisch gebräuchliche Termini wie „das Sterben eines Sternes“, „der Tod einer Sonne“, oder aber an Begriffe wie die „Lebensdauer von Elementarteilchen“ in der Physik. Das Prinzip jedoch, das alles Seiende mit allem verbindet: belebte  Physis und Natur ebenso, wie die Körperlichkeit der unbelebten  Mineralien, die atomare Struktur der Gase, von chemischen Molekülen bis hin zu physikalischen Atomen, lautet: Alles, was ein Anfang hat, unterliegt der Zeit, damit der Veränderung, dem Wandel, und hat deshalb auch ein Ende. Nichts Seiendes — es sei, was es sei — steht außerhalb dieses ewig gültigen Gesetzes. Es gibt ein Werden und Vergehen sowohl bei den „Körpern“ als auch bei den „Kräften“, das ein dynamisches Gleichgewicht innerhalb der gesamten Natur garantiert — vom Mikrokosmos bis hinaus in den äußersten Makrokosmos. Entstehen, Werden, Wandel und Vergehen ist das einzig Beständige innerhalb der körperlichen, aus Marterie oder Strahlung bestehenden Natur; am Ende jedoch, stehe ich, wenn auch in anderer Weise und Gestalt, der Tod…—“ Der Tod hielt für einen weiteren Moment inne und schien gedankenverloren über sein weiträumiges Herrschaftsgebiet zu blicken. Sein Imperium reichte, sofern es Wandel und Vergehen als Wirklichkeiten anbetraf, bis an die fernsten Grenzen von Raum und Zeit. An Grenzen, die nicht mehr von Menschen kraft Definition gesetzt wurden, sondern erst dort begannen, wo all diese menschlichen Theorien endeten, dort, wo der menschliche Geist am Unendlichen, am Form- und Gestalt-losen, am grenzenlos Weiten, dies-seits strandete. Dort erst, weit jen-seits alles Menschlichen — sei es nun aus dem weiten Feld der Empirie, sei es aus dem sich ständig erweiternden Horizont des Denkens und des theoretischen Erkennens —, weit jen-seits davon, begannen erst seine Grenzen… Er seufzte schwer. So mächtig, so schier End-los weit! Selbst dem Tod bisweilen eine Bürde…

— Fortsetzung —