Vom Glück des Lesens


 

Vom Glück des Lesens

… Woher kommt eigentlich das Wort lesen, was drückt sich darin aus? Ursprünglich bedeutet lesen„verstreut Umherliegendes aufnehmen und zusammentragen, sammeln“. Diese Bedeutung schwingt noch mit in Wörtern wie Weinleseoder Ährenlese. Wenn wir lesen, lesen wir auf, was Menschen vor uns entwickelt haben; wir erlesen uns die Welt.
Bücher sind in hohem Maße Sammel- und Kulturgut. Wohl deshalb riet, als im Jahre 928 die Ungarn einfielen, die heilige Wiborada aus Sankt Gallen dem Abt: „Rette die Bücher zuerst!“
Jedes Sammlerherz kennt und genießt das Glücksgefühl, etwas entdeckt zu haben, das des Aufbewahrens wert ist. Ohne das Buch würden zu Worten geformte Gedanken, Eindrücke, Emotionen alsbald dem Vergessen anheimfallen. Bibliotheken sind Erinnerungsorte.
Buchkultur ist auch ein Triumph der Fantasie. Ohne Vorstellungskraft, ohne Erfindungsgabe greift niemand zu einem Lyrikbändchen oder einem erzählerischen Werk. Phantasiebegabte lassen sich nicht im mindesten durch die Tatsache beirren, dass Dichter und Erzähler die Wirklichkeit keineswegs 1:1 wiedergeben. Gedichte und Erzählungen sind, wenn sie als gelungen betrachtet werden dürfen, Kunsterzeugnisse. Wertvolle Literatur gibt Realität nie einfach wieder. Sie spiegelt zwar Wirkliches, transformiert es aber zugleich, bereichert und verändert es durch schöpferische Fülle. Solche kreative Vielfalt dient Lesern zur Orientierung, sie deckt Verborgenes auf, regt an, stillt Neugier, eröffnet Perspektiven, bringt Farbe ins Dasein.
Literarisches Schreiben und einfühlsames Lesen sind ein Sieg der Imagination. Dabei setzt Lesen Einfühlungsvermögen nicht nur voraus, sondern fördert es nachweislich. Lektüre macht aufmerksam, empfindsam, empathisch …

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