„Wir sind nicht alle gleich und wir wollen es auch gar nicht sein.“


„Wir sind nicht alle gleich, und wir wollen es auch

gar nicht sein.“

Porträt des ungewöhnlichen Literaturaktivisten Jannis Plastargias

von Susanne Konrad

Er ist Autor, Blogger und Publizist. Er ist aber auch Sozialarbeiter und agiert mit anderen Menschen im knallharten Leben mit wenigen Buchstaben und mit einfachen Worten. Bei Jannis Plastargias, geboren am 06.07.1975 in Kehl am Rhein, gehen die verschiedenen Disziplinen seines Schaffens eine ganz besondere Synthese ein. Sein literarisches Werk, humorvolle Stimme mehrfacher Diversity-Erfahrung, korrespondiert mit seinem zwischenmenschlichen beruflichen Wirken. Der Schalk im Text ist zugleich ernst und die Berufsausübung wird zum Kunstprodukt, wenn Jannis Plastargias sich beispielweise via facebook bei Ausflügen in eine fröhliche Selbstdarstellung bringt.

Zu den Fakten:

Während des Studiums und danach war Jannis Plastargias in Schulen als Schulsozialarbeiter und Mitarbeiter des Ganztagsangebots tätig, später wechselte er auf die andere Seite und unterrichtete eine erste Klasse in Deutsch, Mathe, Sachunterricht, Kunst und Religion. Außerdem koordinierte er in einem deutschlandweiten Projekt Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssituation von erwachsenen Menschen mit Migrationshintergrund. Seit 2015 ist er Mitarbeiter der Beratungsstelle für Asylbewerber*innen in Frankfurt Griesheim.

Seit dem Herbst 2017 hat er ein neues Projekt namens Jugendmigrationsdienste im Quartier, ein Modellvorhaben in 16 verschiedenen Städten Deutschlands, sein Schwerpunkt liegt dabei auf dem Frankfurter Stadtteil Gallus. Die Zielgruppe sind junge benachteiligte Menschen zwischen 12 und 27 Jahren, aber insgesamt geht es vor allem darum, Lücken im Stadtteil zu schließen, Brücken innerhalb der Bevölkerung zu bauen und für mehr Partizipation in der Bürgerschaft zu sorgen. Dabei hat er durchaus das Ziel, ein breiteres Freizeit- und Kulturprogramm im Gallus zu schaffen.

Erwerbsarbeit und Ehrenamt sind für ihn gleichermaßen wichtig: Mit der Lesebühne des Glücks organisiert Plastargias Formate wie den Diary Slam, die Lite-Rad-Tour und die Leseinseln des Glücks. Er ist auch Mitglied des Lyriker*innen-Kollektivs Salon Fluchtentier und organisiert hier Lyrik-Veranstaltungen für jedermann. Auch hier gibt es ein paar ungewöhnliche Formate…

Plastargias ist Moderator von Theke. Texte. Temperamente. – eine literaturkritische Show mit Kulturteil, in der Literatur zwar mit Tiefe und Ernst, aber auch durchaus mit Spaß besprochen wird. Im Rahmen seines neuen beruflichen Projektes hat er auch eine Lesereihe im Gallus begründet. Auch der Film ist ein attraktives Medium für Jannis Plastargias: Er arbeitet gerne vor und hinter der Kamera. Innerhalb seiner Arbeit mit geflüchteten Menschen machte er zwei etwa 25minütige Filme in Kooperation mit dem Gallus Zentrum und fünf Geflüchteten aus Afghanistan.

Politisches, soziales und kulturelles Engagement gehen bei Jannnis Plastargias eine produktive Verbindung ein. Mit seinem Tun sprengt er die Grenzen sämtlicher üblichen

Disziplinen. Dabei handelt er immer menschlich und immer kunstvoll. Das Selbst des Künstlers steht dabei ganz unbefangen im Mittelpunkt zwischen den verschiedenen Elementen seines Schaffens, die es um sich kreisen lässt. Es ist aber kein melancholisches Ich, das Nabelschau betreibt, sondern ein Ich mit sozialem Bewusstsein, das sich selbst ästhetisiert: Poetisch wird der Gang zur Frankfurter Tafel, poetisch ist die Momentaufnahme vor einem Park, poetisch (und fröhlich) ist auch das literarische Werk, das einen wesentlichen Teil des Gesamtkunstwerks „Jannis Plastargias“ darstellt.

Eine solch experimentelle schöpferische Identität wie die von Jannis Plastargias finde ich ganz wichtig in unserer Zeit, wo ästhetisches Erleben nur noch zum Teil aus literarischen Texten gewonnen wird. Instagram-Fotos, die wachsende Kunstfertigkeit der Fernsehwerbung, das in sozialen Netzwerken stilisierte Miteinander und ähnliche Phänomene haben für viele Menschen einen weit höheren Stellenwert als Bücher. So wird Plastargias, für den das literarische Werk auch nur eine der vielen Säulen seines kulturellen Schaffens darstellt, zu einem maßgeblichen Prototyp für die Verortung von Literatur in unserer Welt: Es gibt das Buch, aber nicht nur das Buch. Die Blüten des literarischen Werks sind bei ihm ein besonders schmuckvoller Teil des Blumenstraußes verschiedenartiger ästhetischer Seinsformen.

 

Veröffentlichungen (Auszug)

Plattenbaugefühle. Jugendroman. Größenwahn-Verlag, Frankfurt am Main 2011

Schmerzwach. Ein Buch über das Leben, die Liebe und die neue BEAT Generation. Neue Ausgabe. BloggingBooks, Saarbrücken 2012

Meine Mutter Griechenland. Μητέρα μου Ελλάδα. TUBUK.digital, 2013,

Großstadtgefühle. michason & may, Frankfurt am Main 2014.

Liebe/r Kim. Briefroman. Größenwahn-Verlag, Frankfurt am Main 2014

RotZSchwul. Der Beginn einer Bewegung (1971–1975). Querverlag, Berlin 2015

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