Die Erbacher Rose: Teil 5
Als der Graf ein Greis geworden war, wollte er sich nicht mehr auf den Arm nehmen lassen und verlangte von Michelstädter, mit der Arbeit zu beginnen. Michelstädter aber konnte es nicht über sein Herz bringen und hackte sich vor den Augen des Grafens drei Finger ab. Der Greis erschrak sich dermaßen darüber, dass er verschied. Michelstädter aber lebte weiter. Immer in der Nähe des Elfenbeins, bis er sich umschaute und bemerkte, dass er unterdes zweihundert Jahre hier versessen hatte.”
“Aber was machte das Baby die ganze Zeit?”
“Es schlief, Lottchen! Sanft geborgen, nah an seiner Mutter.”
Lottchen schluchzte.
“Und wie geht es weiter?”
“Michelstädter fragte sich eines Nachts, wie er und das kleine Wesen zur Ruhe kommen können. Da hatte er eine Idee. Das kleine Wesen fror die ganze Zeit!”
“Es braucht ein Häuslein”, rief Lottchen laut.
“Pst, Lottchen. Ja, ein Häuschen! Michelstädter nahm das zweite Elfenbein und begann hastig zu arbeiten. Tage und Nächte, Lottchen. Und als er fertig war, hatte er eine gottvolle und mirakulöse Rose erschaffen. Fein verarbeitet, mit vielen Details, Lottchen. Und weißt du was, wenn er sie nur leicht bewegte, sah man verschiedene Arabesken. Die Blume war offen und das kleine Wesen schmiegte sich hinein und die Rose verschloss sich. Michelstädter fühlte sich gut und ging seit langem wieder auf die Straße. Froh und munter mit seiner Rose in der Hand. Und weißt du was, Lottchen, es schien, er strahlte etwas Mysteriöses aus, denn alle Menschen bestaunten ihn. Michelstädter verarbeitete das rechtliche Elfenbein zu kostbaren Schätzen.”
“Was ist damit passiert, Jakob?”
“Als Michelstädter mit seiner letzten Arbeit fertig war, starb er bald. Niemand weiß, was er mit seinen Kunstwerken gemacht hat, denn sie sind unauffindbar. Aber ich bin sicher, er hat noch gut für sie gesorgt. Vor allem auch für das kleine Elefantenbaby, geborgen in der Erbacher Rose.”