Von Jaca zum Kloster San Juan de la Peña


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Autor: Karl-Heinz Grube

Der Bericht schließt an den vorherigen Artikel „Pilgerschaft oder Brautschau“ an.

20.04.2014: Der Taxifahrer soll um 9.00 Uhr an der Calle Major eintreffen. Gut dann gehe ich erst einmal frühstücken. Werde schnell fündig. Ein Café con leche und ein Croissant, das muss jetzt schon sein. Das Wetter ist Spitze. Tag, was bringst Du mir? Ich bin bester Laune, ausgeruht und voller Tatendrang. Es kann losgehen! Seid ihr bereit Mädels? Helen, na klar! Die kleine Spanierin hat sich anders ent-schieden, fährt nicht mit. Hat doch nichts mit mir zu tun? Die stolze Baskin sitzt, in Badelatschen, noch beim Frühstück. Das Taxi kommt etwas später. – Reg‘ Dich nur nicht auf. Du bist in Spanien.

Lautes hupen. Señor Taxifahrer gibt sich die Ehre, genießt seinen Auftritt. Großes Kino. Wichtigste Person. Die stolze Baskin darf vorne sitzen. Helen und ich nehmen hinten Platz. Der Preis wird noch einmal ausdrücklich bestätigt. Verbindlich wird danach vereinbart zu welcher Uhrzeit wir am Kloster abgeholt werden. Helen macht das wirklich prima, ihr spanisch ist bewundernswert. Ich bin beeindruckt. Dann geht es endlich los.

 

Hinter Jaca geht es sofort steil aufwärts in die Pyrenäen

Auf steilen Straßen erreichen wir zunächst das Dorf Santa Cruz de la Serós. Von hier aus führt eine kleine geteerte Straße weiter, den mit Pinien, Eichen und Buchen bewachsenen Gebirgszug hoch, zum Monte Pano. Hinter einer Straßenbiegung liegt das Kloster vor uns. Eng an die Wand geschmiegt, fast erdrückt von dem überhängenden roten Fels, liegen dort die äußerlich eher unscheinbaren Ruinen des Klosters, die vor kurzem restauriert wurden. Von diesem einsamen Ort ging während des frühen Mittelalters ein geistiges Licht aus, das über weite Teile Europas strahlte. Dieser magische Ort könnte viele Geschichten erzählen.

Um die Entstehung des Klosters von San Juan de la Peña ranken sich seit dem Hochmittelalter zahlreiche Legenden. Im Zentrum der Überlieferungen steht eine Schale, die das Blut Jesu Christi aufgefangen haben soll, ein Einsiedler namens Johannes von Atarés und die Vision eines rosenfarbenen Kreuzes in Form eines Tau.

Es gibt verschiedene Versionen und Legenden die zu Beginn des 17. zusammengetragen und niedergeschrieben wurden. Erst im 19. Jahrhundert, als die Romantiker die mittelalterlichen Gralsepen neu entdeckten, äußerte man die Vermutung zwischen dem Kloster von San Juan und dem Gralsgeschehen müsse irgendein Zusammenhang bestehen.

Es gibt keine einheitliche, oder originale Fassung der Gralslegende, aber die Überlieferungen haben viele gemeinsame Übereinstimmungen. Allen ist gemeinsam, dass sie den Gral als ein wundertätiges Gefäß in Form einer Schale, eines Kelches, oder eines Steines beschreiben. Die Rede ist vom heiligen Gral, die dem Besitzer ewige Lebenskraft spenden soll. Zusammen mit einer rätselhaft blutenden Lanze wird er von der Gemeinschaft der Gralsritter bewacht. Es soll sich um ein Gefäß handeln mit dem Josef von Arimathäa, der Legende nach, das Blut Christi in einer Schale aufgefangen haben soll. Das Blut stammte aus der Wunde, die Jesus mit einer Lanze zugefügt wurde.

Die Geschichte schreibt sich in vielen Versionen fort, z. B dieser: Als der Leichnam Jesu aus dem Grab verschwunden war, wird Josef von Arimathäa verhaftet, des Leichenraubs beschuldigt und zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt. Im Kerker erscheint ihm Jesus, übergibt ihm einen Kelch und bestimmt ihn zu dessen Hüter. Josef soll nur wegen der Kraft des Kelches den Kerker überlebt haben.

Der Legende nach erschien jeden Tag eine Taube und legte ein Stück Brot auf den Kelch. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis soll der greise Josef seiner Heimat den Rücken gekehrt haben. Den romantischen Erzählungen, oder Überlieferungen nach, soll Josef von Arimathäa eine Kirche in Glastonbury, in Somerset, gegründet haben.

In zahlreichen Quellen ist nachzulesen auf welch abenteuerlichen Wegen der Kelch nach Jaca gelangte. Als die Eroberung von Huesca durch die Mauren im Jahr 716 unmittelbar bevorstand, brachte der dortige Bischof das Gefäß aus der Stadt, in die entlegenen Pyrenäentäler von Hoch-Aragón, in Sicherheit. Mehr als drei Jahrhunderte lang hüteten die Mönche der Klöster von San Pedro de Sasave und Santa María de Siresa die kostbare Reliquie, bis sie 1063 in die neue aragonische Königsresidenz nach Jaca gelangte.

Oh, wie habe ich diese alten Geschichten in meiner Knabenzeit verschlungen. Allzu gern wäre ich damals ein Gralsritter gewesen, hätte mich mit dem edelmütigen Prinz Eisenherz, dem Königssohn aus Thule, oder mit Sigurd, dem Held meiner Kinderzeit, auf die abenteuerlichsten Reisen begeben. Obwohl, ein Überbleibsel nostalgischer Phantasie steht ja wohl auch noch einem erwachsenen Pilger zu?! – Denke ich mir so. Doch so weit genug der alten Geschichten!

 

Ich stehe also tatsächlich an dieser geschichtsträchtigen Stelle

Mir ist sehr erhaben zu Mute. Ja sogar etwas feierlich. Mir ist bewusst, dass ich an einem besonderen Ort weile. Ich erwerbe eine Eintrittskarte und erhalte auf Nachfrage einen Führer in deutscher Sprache. Es sind nur wenige Besucher die sich an diesem Tag für das Kloster interessieren. Wir können uns demnach ungehindert bewegen. Ich sondere mich von meinen Begleiterinnen ab, will das Kloster San Juan de la Peña ganz alleine für mich haben. Es herrscht eine allgemeine wohltuende Stille.

Diese Mauern strahlen eine Erhabenheit aus, die man nur als heilig bezeichnen kann. Der Anblick dieses zweistöckigen Klosters ist einfach atemberaubend. Das Innere ist viel geräumiger, als man es von außen betrachtet, annehmen möchte. Im unteren, ältesten Teil des Klosters, neben der Krypta aus dem 9. Jahrhundert, befindet sich der Schlafsaal der Mönche. Über diesen Gebäuden wurde im 11. Jahrhundert, die sog. Hochkirche. gebaut. Drei Apsen wurden in den Fels geschlagen, und im hinteren Teil der Kirche bildet der Fels selbst das Deckengewölbe.

Die mittlere Apsis enthält eine Nachbildung des Heiligen Grals, von dem behauptet wird, dass er zum Schutz vor der Invasion der Muslime hier aufbewahrt wurde. Vor wenigen Jahren wurde übrigens ein Verein gegründet, der die Orte, an denen sich der Gral befunden haben soll, zu einer Pilgerroute ausbauen möchte. – Neben der Kirche befinden sich im Pantheon, die Gräber der Könige von Aragon.

Das Glanzstück der gesamten Anlage ist der Kreuzgang. Die dem Tal zugewandten romanischen Säulen reichten einst bis zum Felsendach hinauf. Sie stammen aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Ihre Kapitelle sind die Juwelen des Klosters. Mit wunderschönen Steinmetzarbeiten erzählen sie die Schöpfungsgeschichte und Szenen aus dem Leben Jesu.

Ich kann mich gar nicht von diesen Meisterwerken loslösen. Immer wieder umrunde ich die Säulengalerie. Anhand meines Führers kann ich genau bestimmen welche Szenen dargestellt sind. Die Figuren sind von einer unglaublichen Wucht der ich mich nicht entziehen kann. Hier waren Künstler, wahrhafte Meister am Werk.

 

Verzaubernde Akustik

Wir haben mit unserem Taxifahrer eine feste Uhrzeit vereinbart. Dies ist auch gut so, weil wir ja heute unsere Wanderung beginnen wollen, Helen und ich. Ich muss mich also aus meiner Verzauberung lösen. Es zieht mich noch einmal in die Königkapelle. Aus welchem Grund auch immer, bzw. ich kann nicht erklären was mich veranlasst haben könnte, stimme ich hier das mir, aus meiner Chortätigkeit, bekannte Lied „Sancta Maria“ an. Bei der hervorragenden Akustik klingt mein Lied tatsächlich sehr, sehr erhaben. Im Nu bin ich von Helen, der stolzen Señorita aus dem Baskenland und weiteren Besuchern umringt. Man bestürmt mich weiter zu singen.

Jetzt habe ich aber ein sehr großes Problem! Auf einen Liedvortrag an diesem Ort bin ich ja überhaupt nicht vorbereitet. Da muss ich jedoch jetzt durch. Und nun bin ich zum ersten Mal im Vorteil mit meiner Einsprachigkeit. Keiner der Anwesenden kann nämlich Deutsch. So stimme ich, sehr getragen, das Adventslied „Maria durch ein Dornwald ging“ an. Kann ja keiner den Text verstehen und diese erhabene Melodie scheint angemessen an diesem magischen Ort. Meine Zuhörer sind zufrieden und ich erleichtert.

Dann muss ich mich fast in den Arm kneifen. Die stolze Baskin nähert sich mir verzückt, fragt an ob ich auf „latino“ gesungen hätte. „Si“ erkläre ich. Die bisher mir gegenüber so spröde Señorita raunt mir zu: „The best singer of Juan de la Peña!“ Sie will mir gar nicht mehr von der Seite weichen. Was habe ich nur getan, und wie kann ich sie wieder auf den Boden zurückholen? Wir steigen in das Taxi ein und fahren ins Tal.

In dem Dorf Santa Cruz de la Serós halten wir noch einmal kurz an und besichtigen die romanische Kirche Santa Maria (erbaut 1095). Eine wuchtige, einschiffige Klosterkirche mit kreuzförmigem Grundriss und zwei Seiten-kapellen. – Dachsparren und Konsolen sind mit Tierköpfen und Fratzen verziert

Am Hauptportal befinden sich Christusmonogramm und ein Löwenrelief. Wirklich schön. Doch jetzt werde ich unruhig. – Ich will auf den Weg. In schneller Fahrt erreichen wir den Ort Santa Cilia de Jaca. Hier steigt die Baskin aus, für sie ist hier die Tagesetappe zu Ende. Sie bestürmt mich und Helen, ebenfalls hier zu übernachten. Nein, werteste Señorita aus dem schönen Baskenland, hier trennen sich unsere Wege. Adios – und eine gute Reise, wünsche ich mit einem sehr verbindlichen Lächeln.

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