MATTEOS KAMPF


Thomas Berger

 

MATTEOS KAMPF

Die Nacht war noch längst nicht vorbei, als der zehnjährige Matteo, von einer gleichsam fremden und dennoch ihm bekannten Macht geschüttelt, dem Schlaf entrissen wurde. Der Winterwind rüttelte an Dachschindeln und Fensterläden. Drinnen im Haus war sonst alles still. Die Eltern und Sandra, Matteos kleine Schwester, schliefen fest.

Matteo drehte sich schwitzend von einer Seite auf die andere, bemüht, dem Drang, der ihn bereits in der Nacht zuvor heimgesucht hatte und ihm als eigenständige Gewalt erschien, auszuweichen. Niemand würde bemerken, wenn er leise aufstünde, das lange Messer holte und endlich zur Tat schritte. Aber wäre es nicht ratsam, grübelte er weiter, auch in dieser Nacht Widerstand zu leisten, sich gegen das, was ihn mit starken Stricken zog, zu wehren? Zeitweise beruhigte er sich, atmete er auf, gelang es ihm, das Böse zu vertreiben − indessen, er fühlte, es kehrte zurück, kehrte immer wieder zurück.

Die Zeit schien stehengeblieben zu sein, der Morgen war noch fern. Matteo spürte: Es gab nur eine Lösung − er musste handeln, hier und jetzt handeln; die Macht musste besiegt werden.

So horchte er noch einmal in die beruhigende Stille, um sich zu vergewissern, dass keine Gefahr drohte. Die durch den Wind verursachten Geräusche waren ihm willkommene Komplizen, deckten gewissermaßen ihn und sein Vorhaben. Entschlossen stand er auf, tastete nach dem Bademantel, stieg, ohne das Licht anzuschalten, vorsichtig die Treppe zum Erdgeschoss herab. Erneut lauschte er. Der Zeitpunkt war fraglos günstig.

Lautlos zog er die Schublade auf, in der die Tatwaffe wartete, öffnete behutsam die nächste Tür. Alle Zweifel in ihm waren verstummt. Es würde kein Zurück mehr geben. Mit kräftiger Hand umschloss er den Griff des scharfen Messers. Sicher, als habe er länger geübt, vollführte er im Dunkel einen langen, tiefen Schnitt. Natürlich war kein Blut zu sehen. Aber selbst wenn das Licht der Wahrheit auf die Szene gefallen wäre, hätte es dem interessierten Publikum nur eine etwas füllige Gestalt, Matteo, geboten, ein spitzes Messer − und eine prächtige Schwarzwälder Kirschtorte.